Öffne deine Seele (German Edition)
leicht, als ich die Asphaltpiste verließ. Zweige kratzten über die Scheiben.
Das kann unmöglich …
Im nächsten Moment war ich durch.
Zehn Meter vor mir sperrte ein meterhohes Metallgatter den Weg, an dem ein grellgelbes Schild befestigt war: Privatbesitz. Zutritt verboten.
Im selben Augenblick erwachte über dem Zaun eine rote Warnleuchte zum Leben.
«Verflixt», knurrte ich, während ich nach einer Sprechanlage wie an der Sieverstedt-Villa Ausschau hielt.
Nie wieder ohne Anmeldung.
Plötzlich pochte es direkt neben meinem Kopf.
Ich keuchte auf.
Eine bullige Gestalt stand direkt hinter der Scheibe, gleichzeitig fast unsichtbar zwischen den Bäumen. Ein Tarnanzug wie von der Bundeswehr.
«Sie wollen zu Marius?»
Das Glas des Wagenfensters dämpfte die Stimme, machte sie aber keine Spur freundlicher.
Ich hatte mich schon wieder unter Kontrolle, griff in meine Handtasche und drückte meinen Dienstausweis gegen das Glas.
Der Lichtkegel einer Taschenlampe fiel auf mich. Ein kurzer, aber misstrauischer Blick.
Der Wachmann sagte kein Wort, doch im nächsten Moment glitt das Metallgatter mit einer unwirklichen Lautlosigkeit beiseite.
Ich nickte dem Mann zu und gab vorsichtig Gas. Unmittelbar hinter dem Tor begann wieder eine Asphaltstrecke, tadellos gepflegt, die sich nach rechts um eine enge Kurve zog. Im Rückspiegel sah ich noch, wie sich der Elektrozaun hinter mir wieder schloss, dann war das Bild aus dem Blick.
Die Kurve war so eng, dass ich sie nur in Schrittgeschwindigkeit nehmen konnte, und gleichzeitig führte sie steil abwärts. Der Wald war jetzt Meter über mir, rechts und links Betonwände. Die Einfahrt zu einer Tiefgarage?
Ich presste die Zähne aufeinander. Ich wusste sehr gut, dass die Kollegen hinter meinem Rücken Witze machten, dass ich lieber fünf Kilometer Umweg in Kauf nahm, die oft genug auch noch fünf Kilometer Stau bedeuteten, als die Strecke durch den Elbtunnel zu fahren.
Doch im selben Moment sah ich schon wieder Licht.
Marius’ private Asphaltpiste führte unter dem Ehestorfer Heuweg hindurch, auf die andere, unbebaute Seite der Straße. Auf dem letzten halben Kilometer vor der Landesgrenze war dort keine Zufahrt, kein einziges Gebäude zu sehen gewesen.
Die Strecke zog sich wieder bergauf, um neue Kurven, minutenlang. Ganz weit draußen, dachte ich. Konnte das alles Marius’ Grund und Boden sein? Was tat ein Mensch mit so viel Wald, noch dazu so nah an Hamburg? Die Grundstückspreise in dieser Gegend mochte ich mir gar nicht ausmalen.
Da traten die Bäume völlig unvorbereitet beiseite.
Ein verschachteltes, villenartiges Gebäude. Nicht so gewaltig wie das Anwesen der Sieverstedts, doch durch die Lage hier draußen – vollkommen einsam – auf seine eigene Weise nur noch eindrucksvoller. Hinter einigen Fenstern brannte Licht.
Meine Augen wurden abgelenkt. Schräg gegenüber bewegte sich zwischen den Bäumen ein anderes Scheinwerferpaar ebenfalls auf das Anwesen zu, sehr langsam allerdings und irgendwie ruckelig.
Zwei Sekunden später stand mir der Mund offen.
Ein Traktor samt Anhänger, beladen mit Baumstämmen. Auf dem Holz saßen mehrere Gestalten, die sich miteinander unterhielten, während das Gefährt wie selbstverständlich über den freien Platz vor der Villa zuckelte und in einer Toreinfahrt links neben dem Gebäude verschwand.
Ein Bauernhof ?
Konnte ich mich verfahren haben? Unmöglich. Die Asphaltstraße führte auf dieses und nur auf dieses Gebäude hin.
Direkt vor dem Haus gab es mehrere Parkplätze. Nah am Gebäude stand ein dunkler BMW, etwas weiter weg ein Geländewagen, beide mit Hamburger Kennzeichen. Die übrigen Plätze waren leer. Ich stellte den Nissan ab und stieg aus.
Die Eingangstür öffnete sich.
Kein Marius.
Eine Frau, die Haare hochgesteckt, in einem dunklen Kleid, die Ärmel und der hochstehende Kragen mit hellerem Stoff abgesetzt.
Eine Mischung, dachte ich, wenn das möglich war, aus Fräulein Rottenmeier und Magenta aus der Rocky Horror Picture Show .
Fünf Schritte vor der Eingangstür blieb sie stehen, wartete auf mich und streckte mir die Hand entgegen. «Ilse von Merkatz. Ich bin Marius’ Assistentin.»
Instinktiv hatte ich mit einem Händedruck wie ein toter Fisch gerechnet, doch Merkatz fasste entschlossen zu.
«Hannah Friedrichs von der Hamburger Kripo.» Ich deutete ein Lächeln an – schließlich kam ich nicht zum Verhör. «Anscheinend haben Sie schon mit mir gerechnet.»
Ein wortloses Nicken, Lächeln
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