Öl auf Wasser - Roman
ziemlich schlecht ging, der bis in die frühen Morgenstunden Fieber hatte und schwitzte, bis das Fieber schließlich etwas sank und er einschlief.
Ich erwachte als erster, vielleicht hatte ich auch gar nicht geschlafen, und als ich die Augen aufschlug, war es dunkel im Raum, und von draußen konnte ich das ferne Krähen der Hähne hören, das von Insekten begleitet wurde, die den Tag einleiteten. Es war sechs Uhr morgens. Bis die anderen erwachten, würde mindestens noch eine Stunde vergehen. Vorsichtig bahnte ich mir meinen Weg an den ausgestreckten, ineinander verschlungenen Gliedern vorbei und trat nach draußen in die Seeluft und den Vogelsang. Sehnsucht senkte sich auf meine Schultern, wie der Arm eines lang vermissten Freundes, drängte mich zurückzuschauen und zuzuhören; Jahre war es her, seit ich solche Morgenlaute gehört hatte, solche Stille. Eine Weile spazierte ich durch den Skulpturengarten, betrachtete die verfallenden Lehmfiguren, dann stieg ich auf einen Hügel, der über das Meer schaute und starrte auf die gewellte, glitzernde Wasserfläche hinaus. Ich sah eine Schar Morgenvögel aus einer umlaubten Höhle am anderen Ufer aufsteigen, und dann kehrte ich zur Hütte zurück. Alle Männer außer Zaq waren bereits draußen; er lag auf dem Rücken auf dem Lehmfußboden, die Augen starr auf das konkave Schilfdach gerichtet. Als ich zu ihm trat, sah ich, dass seine Stirn mit Schweiß überzogen war, seine Lippen waren aufgesprungen und bluteten. Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht.
Ich half ihm nach draußen und setzte ihn auf einen Holzklotz unter einer Akazie. Ein Mann in einem langen, weißen Gewand kam und teilte uns mit, dass gleich ein Pickup käme, um uns an den Pier zu bringen, von dem aus wir die Fähre zurück nach Port Harcourt nehmen könnten. Einige Männer standen unter den dicht belaubten Gardenien und Akazien, die hier überall wuchsen, andere wanderten durch den Skulpturengarten, machten Fotos von den Statuen und stellten dem groß gewachsenen Priester Fragen. Bei Tageslicht sahen die stummen Gestalten bei weitem nicht so bedrohlich aus wie am Abend zuvor. Ihre Gesichter waren alle genau nach Osten oder Westen ausgerichtet. Die nach Osten blickenden Gesichter sahen glücklich und erregt aus, ihre klumpigen Hände mit den gebrochenen Fingern waren verehrend geöffnet und nach oben gestreckt, als wollten sie die Morgensonne willkommen heißen, wohingegen die nach Westen ausgerichteten Gesichter die Köpfe gesenkt hielten, ihre Lippen geschlossen waren. Die Figuren waren auf eine Weise verzerrt und gewunden, dass sie auf groteske Art lebensnah erschienen, elementar, wie Keimlinge, die in diesem Augenblick aus dem Boden sprossen und noch lernen mussten, aufrecht zu stehen. Dutzende waren es, einige alt und verfallen, andere jüngeren Datums.
»Wir glauben, dass der Sonnenaufgang Erneuerung bringt. Die gesamte Schöpfung wird mit dem neuen Tag neu geboren. Was immer in der Nacht schief geht, hat nach Ablauf eines Zyklus die Chance zur Erlösung.«
»Wer hat die Figuren hergestellt?«
»Die Glaubenden. So bezeichnen wir uns selbst. Einige Figuren sind fast einhundert Jahre alt, stammen aus der Zeit der Gründung des Schreins. Der Skulpturengarten ist der Schrein, dem sich die gesamte Insel verschrieben hat.«
Der Priester stand etwas abseits der Journalisten, bewahrte sein Lächeln, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt; das Umschlagtuch von gestern war verschwunden und eine weiße Baumwollrobe an seine Stelle getreten, die im Morgenwind flatterte und leuchtete. Als er den Wagen kommen hörte, drehte er sich um.
»Ah, hier kommt Ihr Zubringer zur Fähre.«
Ich wandte mich zu Zaq um, der mit dem Rücken an den Baum gelehnt dasaß; er hatte den Kopf gesenkt, und als er den Blick hob, sahen seine Augen ganz stumpf aus.
»Das Auto ist da, Zaq.«
»Das sehe ich.«
»Zeit abzufahren.«
»Ich kann nicht aufstehen.«
»Komm schon, ich helf dir. Nimm meine Hand.«
»Ich glaube, ich bleibe lieber hier.«
»Wie? Du kannst nicht hierbleiben.«
Ich schaute mich um, versuchte die anderen in unser Gespräch einzubeziehen, aber die meisten kletterten schon auf den Lastwagen.
»Wir müssen dich zum Arzt bringen.«
»Ich bleibe noch einen Tag, wenn sie es mir erlauben.«
»Nun … das ist kein Problem.«
Der weltläufige Priester stand direkt hinter mir, mit einem Lächeln auf dem unendlich höflichen Gesicht.
»Sind Sie sicher? Er braucht einen Arzt.«
»Wir haben
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