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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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ist.«
    Meiners warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
    »Am schlimmsten ist Schweröl. Wird gerne als Schiffsbrennstoff verwendet und zur Befeuerung von Kraftwerken und Industrieanlagen. Hauptbestandteil ist Kohlenstoff. Es enthält außerdem einen vergleichsweise hohen Anteil an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Die sind krebserregend. Ja, und dazu jede Menge Phenole, Schwefelverbindungen, Schwermetalle usw. usw. Tut mir leid, ich muss jetzt weg.«
    Dr. Meiners breitete mit einer entschuldigenden Geste die Arme aus.
    »Ich vergesse immer die Zeit, wenn ich wütend werde. Aber ich weiß immer noch nicht, warum Sie eigentlich hier sind. Warum wollten Sie wissen, was ich dieser Journalistin erzählt habe?«
    »Sie ist tot«, sagte ich.
    Meiners starrte mich reglos an. Ich erwiderte den Blick.
    »Was ist mit ihr passiert?«, fragte er nach einer Weile. Er war sichtlich schockiert.
    »Herzstillstand. Aber die Begleitumstände sind sehr merkwürdig. Nichts passt wirklich zusammen, und dann habe ich Ihre Visitenkarte gefunden und einfach hier angerufen. Ich wollte wissen, woran sie zuletzt gearbeitet hat. Aber was Sie mir jetzt erzählt haben, passt auch nicht ins Bild.«
    »Tut mir leid, aber mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Sie war ungefähr so lange hier wie Sie jetzt. Und sie sah sehr gesund aus.«
    »Ja, ich glaube, das war sie auch. Danke, dass Sie mit uns gesprochen haben. Wir wollen Sie nicht länger aufhalten.«
    Meiners stand auf und begleitete uns zur Tür. Er war jetzt sehr freundlich.
    »Wenn Sie herausfinden, was nicht stimmt mit ihrem Tod, ich meine … würden Sie mich anrufen?«
    »Ja«, sagte Anna, als ich zögerte. »Wir werden herausfinden, was passiert ist. Und wir rufen Sie an.«
    »Hast du das ernst gemeint?«, fragte ich, als wir ins Freie traten.
    »Was?«
    »Dass wir herausfinden werden, was passiert ist.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Was denkst du, was sie hier gewollt hat?«
    »Sie hat recherchiert, oder?«
    »Und worum ging es?«
    »Um Öl und Geld!«
    Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Wir gingen schweigend über die Kieswege zum Auto zurück. Der Wagen war kalt, und der Marihuanageruch schien sich noch intensiviert zu haben.
    »Rauchst du das Zeug eigentlich auch?«
    »Ich rauche überhaupt nicht«, sagte Anna wütend und rammte den ersten Gang hinein. Das alte Getriebe gab ein hässliches Geräusch von sich, und der VW setzte sich widerwillig in Bewegung.
    »Bis Hamburg muss er halten«, sagte ich.
    Ich erwartete keine Antwort und bekam auch keine. Anna fuhr jetzt sicherer und konzentrierter und schaute verbissen geradeaus. Die Wut schien ihre Müdigkeit verscheucht zu haben.
    »Was hältst du von diesem Dr. Meiners?«
    Sie schwieg beharrlich.
    »Er erinnert mich irgendwie an diesen Typ im Fernsehen«, sagte ich, »der diese Sendungen für Kinder macht. So ein freundlicher Gutmensch mit Latzhose und John-Lennon-Brille.«
    Anna wandte mir ihr Gesicht zu und schien sich langsam runterzukühlen.
    »Er war bei Brent Spar dabei«, sagte sie mit unverhohlener Bewunderung.
    Es dauerte einen Augenblick, bis mein Gehirn ansprang und mein Gedächtnis die nötigen Bilder lieferte. Männer in winzigen Booten, die in der eisigen Nordsee um einen gigantischen Stahlkoloss herumtrieben. Mitte der Neunzigerjahre hatte eine Handvoll Greenpeace-Aktivisten den Shell-Konzern daran gehindert, die nicht mehr benötigte Öltankplattform Brent Spar einfach im Meer zu entsorgen.
    »Er hat einiges mehr riskiert als seinen Institutsposten. Helen muss davon gewusst haben. So ist sie auf ihn gekommen.«
    »Und woher hast du davon gewusst?«
    »Natürlich kannte ich den Namen nicht. Und ich war noch sehr jung damals. Aber das Ganze ist durch alle Zeitungen gegangen. Auch Helen hat darüber berichtet. Ich kannte das Gesicht von ihren Fotos.«
    Wir schwiegen eine Weile.
    »Warum bist du dann so sauer geworden?«, fragte ich schließlich.
    »Ich hasse ausgebrannte Zyniker!«
    Ich sah sie fragend an, und nach einigen Sekunden fing sie an zu grinsen.
    »Ja, okay«, sagte sie. »Ich hab selbst mal eine Woche Vögel geputzt. Es war eine irre Scheiße! Zufrieden?«
    Wir mussten beide lachen. Die Heizung des VW-Busses kam langsam auf Touren, und die Anspannung ließ nach.
    »Tut mir leid, was ich über deinen Sport gesagt habe«, sagte Anna, »manchmal bin ich wirklich schräg drauf. Ich habe gewusst, dass es ›paddeln‹ heißt, aber ich konnte mich einfach nicht beherrschen.«
    Ich nickte

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