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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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erinnerte.«
    »Was hat dich in die Politik getrieben?«
    »Zufall und Heimweh. Ich kam aus den USA zurück, weil ich Sehnsucht nach Deutschland hatte, und nach einigem Hin und Her bekam ich hier eine Stelle als Referent für Umweltfragen beim Senat. Nichts Besonderes, aber Hamburg gefiel mir. Na ja, nach ein paar Jahren hat mir die Öko-Partei dann eine Kandidatur angeboten.«
    »Bist du verheiratet?«
    Mischka schüttelte den Kopf. »Keine Heirat, keine Kinder, keine Schrankwand«, grinste er, »und du?«
    »Negativ. Ich hab eine befristete Stelle als Neuropsychologe am Max-Planck-Institut in München. Hauptsächlich Forschung über Gedächtnisstörungen. Keine Kinder. Aber ich hatte eine Freundin.«
    Er hob fragend die Augenbrauen.
    »Sie ist tot«, sagte ich.
    Mischkas Lächeln erstarb.
    »Scheiße, Mann, das hatten wir schon mal«, sagte er leise.
    Ich nickte. Ich hatte ihm das nicht erzählen wollen. Nicht bei unserem ersten Treffen nach achtundzwanzig Jahren. Aber ich wusste auch, dass ich Hilfe brauchte, jede Hilfe, die ich bekommen konnte. Mischka goss noch mal Cognac ein, lehnte sich zurück und hörte ohne ein Wort zu, bis ich fertig war. Als ich damit endete, wie ich ihn nach der Beerdigung am Bauzaun entdeckt hatte, weiteten sich seine Augen ungläubig.
    »Große Güte«, sagte er, »was für eine Kette von aberwitzigen Zufällen. Wo ist diese Anna jetzt?«
    »In Helens Wohnung. Sie war ziemlich angesäuert darüber, dass ich ausgerechnet jetzt, wie sie sagte, eine Sandkastenfreundschaft reaktivieren wolle, aber ich brauche deine Hilfe. Hast du irgendeine Erklärung, was hier eigentlich passiert?«
    Mischka zuckte die Achseln.
    »Deine Freundin hat etwas herausgefunden oder war zumindest kurz davor, und dieser Jaeggi hat sie drauf gebracht. Es muss irgendwas mit Umweltzerstörung und Ölverseuchung zu tun haben. Überleg doch mal: Wozu hätte sie sonst diesen Dr. Meiners besucht? Den kenne ich übrigens auch. Der ist Spezialist für so was. Hervorragender Ozeanograf und Biologe. War früher bei Greenpeace aktiv und hat da ein paar echt riskante Sachen gemacht.«
    »Ja, ich weiß. Anna war schwer beeindruckt.«
    Mischka hatte die Augen geschlossen und schien angestrengt nachzudenken.
    »Ich kenne noch einen beeindruckenden Spezialisten, der dir vielleicht weiterhelfen kann«, sagte er schließlich. »Ich verschaff dir einen Termin mit Ole Petersen vom Bundesverband der See- und Hafenlotsen. Der hat jeden gottverdammten Kahn im Kopf, der in den letzten vierzig Jahren irgendwo abgesoffen ist. Und er schuldet mir einen Gefallen.«
    Ich nickte zustimmend.
    »Wie gut sind denn deine Beziehungen zur Staatsgewalt?«, fragte ich dann.
    »Ich bin gerade dabei, ein Teil der Staatsgewalt zu werden. Warum fragst du?«
    »Reichen deine Beziehungen aus, um anhand der E-Mail-Adresse herauszufinden, wer dieser Ulf Jaeggi ist und wo er steckt?«
    »Möglicherweise. Jemand muss den Provider zwingen, die Identität des Kunden preiszugeben. Das geht nur mit Polizei und Staatsanwaltschaft. Aber es gibt bei der Hamburger Polizei eine Sonderkommission, die sich mit Kinderpornografie im Internet befasst und sehr weitgehende Befugnisse hat. Und da kenn ich zufällig jemanden …«
    »Der dir einen Gefallen schuldet …?«
    »Nein, mit dem ich mal geschlafen habe«, grinste Mischka.
    »Okay. Wann kann ich mit diesem Ole Petersen sprechen?«
    »Ich lade ihn für morgen Abend ein. Komm einfach um sieben Uhr vorbei, und bring das Mädchen mit.«
    »Die wird dir gefallen. Hübsch und sanftmütig.«
    »Ich bin schwul«, sagte Mischka. »Wusstest du das nicht?«
    Den Rest der Zeit verbrachten wir mit unseren Erinnerungen. Obwohl wir nur drei Jahre unserer Kindheit wirklich zusammen gewesen waren, gab es mehr als genug davon. Als ich um Mitternacht aufstand, um zu gehen, waren wir beide betrunken. Mischka rief mir ein Taxi und brachte mich zur Tür.
    »Ich hatte sie alle vergessen«, sagte er leise. »Lehrer, Schüler, Hausmeister, die ganzen Pappnasen. Abgehakt. So schnell vergessen wie sieben Jahre Latein. Nur dich nicht – und Benja. Du musst vorsichtig sein. Ich glaube, dass das sehr gefährlich ist, was du da vorhast.«
    Er hatte recht, so wie er früher auch meistens recht gehabt hatte. Und auch am Ende recht behalten sollte. Aber mir war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr zu helfen. Zielstrebig und unbeirrbar kroch ich weiter zum Tunnel am Ende des Lichts.
    Als der Taxifahrer mich wenig später vor Helens Haus absetzte, löste

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