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Oelspur

Titel: Oelspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Schweizer Bankangestellter, der ein bisschen zu neugierig ist, deswegen sterben muss? Aber bevor Ulf Jaeggi stirbt, schickt er eine Nachricht nach Hamburg. Und die bringt Helen Jonas ins Spiel. Sie fängt an, vorsichtig herumzurecherchieren, und Sie lassen ihr eine Warnung zukommen. Frau Jonas stellt sich stur und … Ist Ihnen das eigentlich klar, Sie Arschloch, dass Sie wegen Helen Jonas auf diesem Stuhl sitzen und aus keinem anderen Grund?«
    Meine Nerven flatterten, ich spürte, wie die Wut zurückkam, und riss mich zusammen.
    »Also, Maître, wer hat Frau Jonas getötet und vor allem warum? Und wo ist ihre Schwester?«
    Villani schwieg. Sein Blick wanderte zur Schrotflinte und zu mir zurück. Offenbar dachte er darüber nach, ob das Gewehr auf dem Tisch liegen bleiben würde. Ich beschloss, seiner Entscheidung ein wenig nachzuhelfen, langte danach und legte es wieder über meine Knie. Seine Augen hatten sich geweitet, aber er sagte keinen Ton. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Maître Villani vor seiner Anwaltskarriere möglicherweise in einer etwas härteren Branche gearbeitet hatte. Also drehte ich den Kolben des Gewehrs wieder in die Richtung seines Gesichts.
    »Hören Sie auf!«, sagte er mürrisch.
    Ich ließ das Gewehr, wo es war, und machte eine einladende Geste mit der Hand.
    Villani ließ sich Zeit.
    »Es stimmt, was Sie sagen«, sagte er schließlich, »aber eben auch nicht ganz. Vor allem stimmt nicht, dass sich außer ein paar Umweltschützern kein Schwein darüber aufregt. All die Jahre ist es so gelaufen, aber seit der Exxon Valdez ist alles schwieriger geworden. Die Amerikaner haben hier das erste Mal einen Erdölkonzern mit Erfolg haftbar gemacht. Und gleich das berühmte Verbot von Einhüllentankern in ihren Hoheitsgewässern erlassen. Das kommt auch auf Europa zu.«
    »Ja, und so zügig«, sagte ich, »2015 soll’s schon losgehen.«
    »Sie täuschen sich, wenn Sie meinen, dass das langsam ist. Die Vereinten Nationen setzen uns da ganz schön zu. Seit 1996 müssen alle neuen Öltanker schon als Doppelhüllenschiffe gebaut werden.«
    »Die International Maritime Organization gestattet jede Menge Ausnahmen, und das wissen Sie auch. Zum Beispiel kann der jeweilige Flaggenstaat einigen neueren Einhüllentankern den Betrieb bis zu 25 Jahre nach deren Auslieferung erlauben, wenn sie bestimmte technische Anforderungen erfüllen.«
    »Ja, und trotzdem wurde die Luft für alle im Geschäft immer dünner. Nach dem Untergang der Erika 1999 hat die EU ziemlich aufgedreht. Es wurde ein ganzer Maßnahmenkatalog beschlossen. Vor allem strengere Schiffskontrollen in den EU-Häfen. Es gibt Pläne, die Kontrollgesellschaften und die Flaggenstaaten im Falle einer Havarie juristisch haftbar zu machen und die Schiffe zum Einbau einer Blackbox zu zwingen. Wie bei Flugzeugen. Mit den Dingern können Sie nachvollziehen, ob die Tankschiffprüflisten vom Kapitän korrekt gecheckt wurden.«
    Villani dozierte jetzt regelrecht und schaute mich an wie ein Professor für Internationales Seerecht einen begriffsstutzigen Studenten. Seine Angst schien sich etwas gelegt zu haben.
    »Binden Sie mich los«, sagte er.
    »Erzählen Sie mir etwas, was ich noch nicht weiß!«
    Ich stand auf und flößte ihm etwas Wasser ein. Dann machte er weiter.
    »Die Alhambra war in einem erbärmlichen Zustand. Neunundzwanzig Jahre alt, natürlich nur eine Hülle. Sie war so marode, dass sie schon Mitte der Neunzigerjahre Mühe hatte, eine Charter zu bekommen. Aber auf dem Baltikum nehmen sie auch die Hafenstaatkontrollen nicht so genau, und so haben die Esten sie dann immer wieder ohne Beanstandung mit russischem Schweröl von Tallinn nach Gibraltar starten lassen. Nur dass die Inspektoren in Ventspils und später auch in Genua jetzt einfach nicht mehr mitspielen wollten. Nach dem Untergang der Prestige waren sie monatelang in der Öffentlichkeit durch den Wolf gedreht worden, und jetzt waren sie eher bereit, den Kunden zu verlieren, als die Zertifikate wie gewohnt auszustellen. Also hat man Geld geboten. Viel Geld. Und hat die Zertifikate bekommen.«
    Villani schaute mich an und schien auf irgendeinen Kommentar von mir zu warten.
    Ich machte mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine kreisende Bewegung zum Zeichen, dass er weitersprechen sollte.
    »Geben Sie mir noch was zu trinken!«, sagte er.
    Ich gab ihm was.
    »Es war das Dümmste, was sie zu diesem Zeitpunkt machen konnten. Nach der Havarie der Prestige stand die gesamte Tankerindustrie

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