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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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was das heißt. Der Captain ahnt, dass sich
wichtige Dinge tun.«
    Der Schmerzsplitter wuchs sich zu einer abgebrochenen Pfeilspitze
aus. Scorpio knetete die Haut zwischen Rüssel und Stirn.
»Erzählen Sie uns von Sylveste«, verlangte er
hörbar geduldig.
    Khouri seufzte, aber sie setzte ihre Geschichte fort. »Im
Innern des Sterns wurde ich schon von einem Empfangskomitee erwartet.
Sylveste und seine Frau zeigten sich so wie bei meinem letzten
Besuch. Auch die Umgebung war noch die gleiche – das
Arbeitszimmer eines Wissenschaftlers, voll mit alten Knochen und
verschiedenen Instrumenten. Aber die Atmosphäre war eine
andere. Ich kam mir vor wie bei einem Spiel, von dem ich als Einzige
ausgeschlossen war. Der Mann, mit dem ich redete, war nicht mehr
Sylveste, falls er es jemals gewesen war.«
    »Ein Betrüger?«, fragte Clavain.
    »Nein, das nicht. Es war schon der echte Sylveste –
davon bin ich überzeugt –, aber zugleich auch wieder nicht.
Es war, als… als wollte er mir entgegenkommen, als hätte er
diese Maske aufgesetzt, damit ich einen Gesprächspartner
hätte, der mir vertraut war. Ich bekam nicht die ganze
Geschichte serviert, nur die entschärfte Version, ohne die
wirklich unheimlichen Stellen. Vielleicht dachte Sylveste, ich
könnte nicht ertragen, was nach so langer Zeit tatsächlich
aus ihm geworden war.« Sie lächelte. »Wahrscheinlich
fürchtete er, mir würden sämtliche Sicherungen
durchknallen.«
    »Nach sechzig Jahren in der Hades-Matrix wäre das schon
möglich«, meinte Clavain.
    »Dennoch«, fuhr Khouri fort, »glaube ich nicht,
dass ich gezielt getäuscht wurde. Jedenfalls nicht mehr als
nötig, um mich vor dem Wahnsinn zu bewahren.«
    »Erzählen Sie uns von den späteren Besuchen«,
bat Clavain.
    »Die ersten Male ging ich allein. Danach hatte ich immer
jemanden dabei – manchmal Remontoire, Thorn oder andere
Freiwillige.«
    »Aber Sie waren immer mit von der Partie?«, fragte
Clavain.
    »Die Matrix akzeptierte mich. Niemand wollte das Risiko
eingehen, es ohne mich zu versuchen.«
    »Das kann ich mir denken.« Clavain hielt inne, aber alle
Anwesenden spürten, dass er gern mehr gesagt hätte.
»Thorn kam bei einem der Besuche ums Leben, nicht
wahr?«
    »Wir stürzten auf den Neutronenstern zu«, sagte
sie, »genau wie immer. Und dann wurden wir beschossen.
Vielleicht war es ein Energiestrahl aus einer längst vergessenen
Waffe, wir werden es nie mit Sicherheit erfahren; das Ding mochte
seit einer Million Jahren um Hades gekreist sein, vielleicht waren
auch die Unterdrücker das Risiko eingegangen, es so nahe an dem
Neutronenstern zu stationieren. Es war nicht stark genug, um die
Kapsel zu zerstören, aber es reichte, um Thorn zu
töten.«
    Sie verstummte. Betretenes Schweigen machte sich breit. Scorpio
schaute in die Runde. Alle hatten die Augen niedergeschlagen. Niemand
wagte Khouri anzusehen, nicht einmal Hallatt.
    Khouri fuhr fort. »Mich fing der Stern lebend ein, aber Thorn
war tot. Der Stern konnte das, was von ihm übrig war, nicht mehr
zu einem Lebewesen zusammensetzen.«
    »Es tut mir Leid«, sagte Clavain kaum hörbar.
    »Das ist noch nicht alles«, sagte Khouri fast ebenso
leise.
    »Sprechen Sie.«
    »Ein Teil von Thorn hat überlebt. Wir hatten uns
geliebt, während wir auf Hades zustürzten, und als ich in
den Stern einging, nahm ich etwas von ihm mit. Ich war
schwanger.«
    Clavain legte eine Anstandspause ein, um ihre Worte wirken zu
lassen und ihnen das Gewicht zu geben, das sie verdienten. »Und
Thorns Kind?«
    »Thorns Kind ist Aura«, sagte Khouri. »Das Baby,
das Skade mir gestohlen hat. Das Kind, das ich mir zurückholen
will.«

 
Vierzehn
Ararat

2675
     
     
    Man hatte Palfrey angewiesen, auf Scorpio zu warten, und so
saß er nun in einer runden Kammer neben einem der großen
Lagerräume für die Geräte der Bilgenmannschaft, jenes
Zweigs der Verwaltung, der die Aufgabe hatte, die unteren
Schiffsdecks möglichst trocken zu halten. Die Wände des
kleinen Raums waren mit einer glänzenden graugrünen
Substanz beschichtet, die beim Aushärten zähe, wachsartige
Fäden gezogen hatte. Der glatte Boden bestand aus Metall. Darauf
stand, mit dicken Schrauben befestigt, ein kleiner, verschrammter
Tisch aus der Versorgungszentrale mit einem Aschenbecher, einer halb
leeren Tasse mit pechschwarzer Flüssigkeit und den Teilen
mehrerer zerlegter Bilgenpumpen. Neben den Pumpenteilen stand ein
Gegenstand, der aussah wie ein antiker Raumhelm aus Metall, von dem
der Silberlack

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