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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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abblätterte.
    Hinter dem Tisch saß Palfrey und rauchte eine Zigarette nach
der anderen. Seine Augen waren rot vor Müdigkeit, das
schüttere schwarze Haar war zerzaust und ließ die
sonnenverbrannte Kopfhaut sehen. Er trug einen Khaki-Overall mit
vielen Taschen, und um den Hals hatte er an ausgefransten
Bändern ein Atemgerät hängen.
    »Sie wollen also etwas gesehen haben«, sagte Scorpio und
zog sich einen zweiten Stuhl heran. Die Beine scharrten mit
durchdringendem Quietschen über den Metallboden. Scorpio drehte
den Stuhl mit der Lehne nach vorne, setzte sich rittlings darauf und
sah den Mann an.
    »Das habe ich alles schon meinem Chef erzählt. Kann ich
jetzt nach Hause?«
    »Mit der Beschreibung Ihres Chefs konnte ich nicht viel
anfangen. Ich würde gern etwas mehr wissen.« Scorpio
lächelte. »Danach können wir alle nach Hause
gehen.«
    Palfrey drückte die Zigarette aus. »Wozu? Sie glauben
mir doch sowieso nicht.«
    Scorpios Kopfschmerzen waren nicht besser geworden. »Was
bringt Sie zu dieser Ansicht?«
    »Sie glauben nicht an die Manifestationen, das weiß
doch jeder. Sie meinen, wir suchen nur nach Vorwänden, um uns
vor dem Dienst auf den unteren Decks zu drücken.«
    »Das ist insoweit richtig, als Ihr Chef nun eine neue
Mannschaft in diesen Bereich des Schiffes schicken muss, und als ich
nicht alle Berichte für glaubwürdig halte, die auf meinem
Schreibtisch landen. Aber viele davon nehme ich durchaus ernst. Oft
folgen die Manifestationen einem bestimmten Muster, sie häufen
sich in einem Teil des Schiffes oder bewegen sich durch eine Reihe
von Decks nach unten oder nach oben. Man hat den Eindruck, der
Captain sucht sich einen bestimmten Bereich aus und spukt dort so
lange, bis er seinen Willen kundgetan hat. Haben Sie ihn schon
öfter gesehen?«
    »Heute war es das erste Mal«, sagte Palfrey. Seine
Hände mit den knochigen Fingern zitterten. Die Knöchel
waren entzündet und geschwollen, die gerötete Haut war zum
Zerreißen gespannt.
    »Erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben.«
    »Ich war allein. Das nächste Team war drei Decks
über mir und reparierte eine andere ausgefallene Pumpe. Ich war
nach unten gefahren, um mir ein Gerät anzusehen, das sich
vermutlich überhitzt hatte. Außer meinem Werkzeugkasten
hatte ich nichts bei mir. Ich wollte mich nicht lange aufhalten.
Keiner von uns arbeitet gern auf den unteren Decks, schon gar nicht
allein.«
    »Ich dachte, es wäre Vorschrift, niemanden tiefer als
bis Deck sechshundert zu schicken.«
    »Stimmt.«
    »Wieso waren Sie dann ganz allein da unten?«
    »Wenn wir uns an alle Regeln hielten, wäre das Schiff in
einer Woche überflutet.«
    »Ich verstehe.« Es sollte überrascht klingen, aber
er hörte solche Aussagen ein Dutzend Mal pro Woche überall
in der Kolonie. Jeder glaubte, in dem einzigen Team zu sein, das bis
an die Grenze des Zusammenbruchs gefordert wurde. Dabei taumelte die
ganze Siedlung von einer kaum bewältigten Krise in die
nächste. Aber das wussten nur Scorpio und eine Hand voll seiner
Stellvertreter.
    »Die Zeitpläne manipulieren wir nicht«,
erklärte Palfrey von sich aus, als wollte er Scorpios
nächster Frage zuvorkommen.
    »Könnten Sie mir die Manifestation genauer schildern?
Sie waren also unten und sahen sich die heiß gelaufene Pumpe
an. Was passierte dann?«
    »Ich sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Zuerst konnte ich
nicht erkennen, was es war – da unten ist es dunkel, und unsere
Lampen geben nicht allzu viel Licht. Da sieht man oft Gespenster,
ohne dass man jedes Mal gleich zu Tode erschrickt. Aber dann hielt
ich die Lampe darauf und schaute genauer hin. Und da war
tatsächlich etwas.«
    »Beschreiben Sie es mir.«
    »Es sah aus wie Maschinen. Schrott. Alte Pumpenmotoren,
Servomatenteile. Drähte. Kabel. Das Zeug muss seit mehr als
zwanzig Jahren da unten gelegen haben.«
    »Sie haben Maschinenteile gesehen und dachten, es wäre
eine Manifestation?«
    »Es waren nicht nur Maschinenteile«, verteidigte sich
Palfrey. »Die Teile bildeten ein Ganzes, jemand hatte sie
zusammengefügt und so etwas wie eine menschliche Gestalt
geschaffen. Sie stand nur da und sah mich an.«
    »Hatten Sie sie kommen hören?«
    »Nein. Wie gesagt, es war nur Schrott. Vielleicht hatte sie
schon die ganze Zeit da gestanden und darauf gewartet, dass ich sie
bemerkte.«
    »Und als Sie sie bemerkten – was passierte
dann?«
    »Sie sah mich an. Der Kopf – er bestand aus hunderten
von kleinen Teilen – bewegte sich, als wollte er mir

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