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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wusste er nicht mehr so genau,
vielleicht eine bescheidenere Variation des Themas abgestürztes
Raumschiff.
    Was das Fenster jetzt zeigte, war deutlich zu erkennen. Viel
schwerer war zu beurteilen, was die Darstellungen für Quaiche
bedeuteten. Ganz oben in der Rosette stand Haldora mit seinem
bebänderten Antlitz. Darunter breiteten sich mehrere
Quadratmeter Sternenhimmel aus, der dank einer unbekannten
Färbetechnik in allen Farben von Dunkelblau bis Gold spielte.
Den größten Teil der Fläche nahm eine turmhohe
Kathedrale ein, ein kopflastiges Ungetüm mit zahllosen
wimpelbewehrten Türmchen und Zinnen. Die Fluchtpunktperspektive
machte deutlich, dass sich die Kathedrale exakt unter Haldora befand.
So weit, so gut: Schließlich war Sinn und Zweck einer
Kathedrale, genau unter dem Gasriesen zu bleiben. Aber diese
Kathedrale war deutlich größer als alle ihre Schwestern
auf dem Ewigen Weg. Sie war wie eine Festung. Und wenn Grelier
das richtig sah, dann war sie eine Fortsetzung der Felslandschaft im
Vordergrund, kein mobiles Gebäude, sondern ein Bauwerk auf
festem Fundament. Vom Ewigen Weg war nichts zu sehen.
    Das Fenster gab ihm Rätsel auf. Quaiche bestimmte den Inhalt
der Darstellungen, und er wählte im Allgemeinen sehr konkrete
Motive. Die Szenen mochten übertrieben, bisweilen sogar ein
wenig irreal sein (zum Beispiel, wenn Quaiche ohne Druckanzug vor
seinem Schiff stand), es bestand zumindest andeutungsweise eine
Beziehung zu tatsächlichen Ereignissen. Doch diesmal kam ihm das
ganze Fenster vor wie eine einzige Metapher. Das fehlte noch, dass
Quaiche ihm mit Metaphorik kam. Aber wie sollte er diese riesige,
fest gegründete Kathedrale sonst verstehen? Vielleicht als
Symbol für Quaiches festen, unverrückbaren Glauben?
Schön, sagte sich der Generalmedikus: Du glaubst also immer
noch, ihm folgen zu können, aber was machst du, wenn seine
Botschaften noch nebulöser werden?
    Kopfschüttelnd setzte er seinen Weg fort. Auf der linken
Seite der Kathedrale entdeckte er nichts, was ihm merkwürdig
vorgekommen wäre. Das beruhigte ihn. Vielleicht war die neue
Komposition nur eine vorübergehende Verirrung, und das Leben
ging weiter wie immer.
    An der Vorderseite der Kathedrale blieb er im Schatten des
schwarzen Fensters stehen. Die Glassplitter waren unsichtbar: Nur die
Bögen und Säulen des Mauerwerks waren schemenhaft zu
erkennen. Dieses Fenster zeigte ohne jeden Zweifel ein anderes Bild
als bei seinem letzten Besuch.
    Grelier kehrte an die rechte Seite zurück und ging weiter bis
zur Mitte. Hier lag der Eingang zum Glockenturm.
    »Ich kann es nicht länger aufschieben«, sagte er zu
sich selbst.
     
    In ihrer Kabine löste Rachmika das Siegel vollends ab und
faltete das Blatt auseinander. Das dicke, cremig weiße Papier
war von einer Qualität, wie sie im Ödland nicht zu bekommen
war. Auf der Innenseite stand in sauberer, aber kindlicher Schrift,
eine kurze Nachricht.
    Sie erkannte die Handschrift sofort.
     
Liebe Rachmika,
    bitte entschuldige, dass ich so lange nichts von mir habe
hören lassen. Nun wurde dein Name in den Nachrichten aus der
Vigrid-Region erwähnt. Es hieß, du wärst von zu
Hause weggelaufen, und da kam mir der Verdacht, du wolltest mich
suchen, um zu erfahren, wie es mir seit meinem letzten
Brief ergangen ist. Als ich außerdem hörte, eine
Karawane, die du mit einiger Hilfe hättest erreichen
können, sei auf dem Weg hierher, da war ich ganz sicher. Ich
erkundigte mich nach den Namen der Passagiere, und nun schreibe
ich dir diesen Brief.
Du wirst nicht verstehen können, warum ich schon so lange
nicht mehr an dich oder die Eltern geschrieben habe. Aber es
wäre nicht richtig gewesen, denn alles ist anders geworden.
Du hattest damals vollkommen Recht. Sie hatten mich von Anfang an
belogen. Sobald ich den Weg erreichte, bekam ich das Blut
des Dekans. Du hast das sicherlich schon aus meinen ersten Briefen
herausgelesen. Zunächst war ich wütend, doch inzwischen
habe ich erkannt, dass es gut war. Was geschehen ist, ist
geschehen, und wenn sie mir die Wahrheit gesagt hätten,
wäre ich nicht mitgekommen. Sie mussten lügen, es war
zum Wohl des Ganzen. Ich bin jetzt so glücklich wie niemals
zuvor. Ich habe eine Aufgabe gefunden und stehe im Dienst eines
Höheren. Ich fühle mich geborgen in der Liebe des Dekans
und spüre in seiner Liebe die Liebe des Schöpfers. Du
kannst das weder verstehen noch billigen, Rachmika, und deshalb
habe ich mich nicht mehr gemeldet. Ich wollte nicht

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