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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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es dir?«, fragte sie.
    »Ich werd’s überleben. Von einer übereilten
Reanimierung lässt sich ein Horris Quaiche noch lange nicht
unterkriegen.«
    »So gefällst du mir«, sagte sie, aber es klang
nicht völlig überzeugt. Sie beugte sich vor und küsste
ihn. Ihr Duft, eine Mischung aus Parfum und Ozon, stieg ihm in die
Nase.
    »Ich bin froh, dass du bei mir bist«, sagte Quaiche.
    »Warte hier. Ich hole dir etwas zu trinken.«
    Morwenna trat von der Reanimationsliege zurück und fuhr sich
zu voller Höhe aus. Mit immer noch verschwommenem Blick
beobachtete Quaiche, wie sie quer durch den Raum zu dem Spender
für die verschiedenen Stärkungsgetränke glitt. Ihre
eisengrauen Dreadlocks bewegten sich im gleichen Takt wie ihre
langen, kolbengetriebenen Beine.
    Als Morwenna mit einem Glas heißer, mit Nanomaschinen
versetzter Schokolade zurückkam, glitt die Tür auf, und
zwei Ultras, ein Mann und eine Frau, traten ein. Dahinter erschien,
die Hände bescheiden hinter dem Rücken verschränkt,
eine kleinere Gestalt ohne künstliche Körperteile –
der Generalmedikus. Sein weißer Arztkittel war beschmutzt.
    »Ist er so weit?« fragte der Mann.
    »Ihr könnt von Glück reden, dass er nicht tot
ist«, zischte Morwenna.
    »Mach es nicht so dramatisch«, gab die Frau zurück.
»Man stirbt nicht gleich daran, dass man etwas schneller
aufgetaut wird als üblich.«
    »Dürfen wir jetzt erfahren, was Jasmina von ihm
will?«
    »Das ist eine Sache zwischen ihm und der Königin«,
antwortete die Frau.
    Der Mann warf ein abgestepptes silberfarbenes Gewand in Richtung
der Reanimationsliege. Morwennas Arm schoss vor und fing es auf. Dann
ging sie damit zu Quaiche und reichte es ihm.
    »Ich wüsste gerne, was hier vorgeht«, sagte
Quaiche.
    »Ziehen Sie sich an«, sagte die Frau. »Sie kommen
mit uns.«
    Er drehte sich auf die Seite und stellte die Füße auf
den kalten Boden. Seit er sich körperlich besser fühlte,
machte sich die Angst breit. Sein Penis war ganz klein geworden und
schien sich in seinem Bauch verkriechen zu wollen, als schmiede er
seinerseits Fluchtpläne. Quaiche schlüpfte in das Gewand
und band sich den Gürtel um die Taille. Dann wandte er sich an
den Generalmedikus: »Das habe ich Ihnen zu verdanken, nicht
wahr?«
    Grelier blinzelte überrascht. »Mein lieber Mann, man
wollte Sie noch schneller aufwärmen. Ich konnte es gerade noch
verhindern.«
    »Sie kommen auch noch an die Reihe«, sagte Quaiche.
»Denken Sie an meine Worte.«
    »Ich weiß nicht, warum Sie diesen vorwurfsvollen Ton
anschlagen, Horris. Wir beide haben vieles gemeinsam. Zwei
Standardmänner allein auf einem Ultra-Schiff! Was soll das
ständige Gezänk, der Wettstreit um Rang und Namen? Wir
sollten zusammenhalten und Freundschaft schließen.« Er
wischte sich die behandschuhte Hand an seinem Kittel ab. Ein
hässlicher gelber Streifen blieb zurück. »Wir sollten
Verbündete sein. Gemeinsam könnten wir vieles
erreichen.«
    »Eher friert die Hölle zu«, entgegnete Quaiche.
     
    Die Königin hielt immer noch den Menschenschädel auf dem
Schoß und streichelte die fleckige Hirnschale. Ihre
überlangen Finger- und Zehennägel waren pechschwarz
lackiert. Das Lederwams war vor dem Busen geschnürt, dazu trug
sie einen kurzen Rock aus dem gleichen dunklen Material. Das schwarze
Haar war bis auf eine einzige sorgfältig hingedrehte Stirnlocke
glatt nach hinten gekämmt. Quaiche stand vor ihr. Er dachte
zunächst, sie hätte Make-up aufgelegt. Rote Rinnsale, so
zäh wie Kerzenwachs, zogen sich in gerader Linie von den Augen
bis zu ihrer Oberlippe. Erst nach einer Weile durchzuckte ihn die
Erkenntnis: Sie hatte sich die Augen ausgestochen.
    Dennoch war ihr Gesicht von einer ganz eigenen herben
Schönheit.
    Es war das erste Mal, dass er sie leibhaftig in einer ihrer
Erscheinungsformen zu sehen bekam. Bis zu diesem Treffen hatte er
immer nur mehr oder weniger indirekt mit ihr verkehrt, über
alpha-kompatible Simulationen oder lebende Mittelsmänner wie
Grelier.
    Er hätte es gerne dabei bewenden lassen.
    Quaiche lauschte auf seine eigenen Atemzüge und wartete
mehrere Sekunden. Endlich würgte er hervor: »Habe ich Sie
enttäuscht, Madame?«
    »Wofür halten Sie eigentlich mein Schiff, Quaiche?
Glauben Sie, ich kann es mir leisten, tote Fracht
mitzuführen?«
    »Ich spüre, dass mein Glück sich wendet.«
    »Das kommt leider etwas spät. Wie viele Systeme haben
wir angeflogen, seit Sie zur Besatzung gestoßen sind, Quaiche?
Fünf, nicht wahr? Und was

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