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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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im
K-Gürtel…‹.«
    Quaiche hatte begriffen, worauf sie hinauswollte. »Und die Schwache Erinnerung an Hokusai?«
    »Ein wirklich faszinierendes Gespräch. Danach hatte die Hokusai ein unterirdisches Depot mit etwa hundert Jahre alter
Handelsware entdeckt. Dinge aus Vorkriegs- und Vorseuchenzeiten. Sehr
wertvoll: nicht nur technisches Gerät, sondern auch
Kunstgegenstände und kulturelle Artefakte, vieles davon
einmalig. Wie man hört, war der Gewinn so hoch, dass die Hokusai davon einen neuen Abriebschild finanzieren
konnte.« Sie sah ihn erwartungsvoll an. »Was sagen Sie
dazu? Irgendwelche Anmerkungen?«
    »Ich habe einen wahrheitsgemäßen Bericht
abgeliefert«, sagte Quaiche. »Die Hokusai hatte
einfach mehr Glück. Geben Sie mir noch eine Chance. Sind wir
nicht gerade im Anflug auf ein neues System?«
    Die Königin lächelte. »Wir sind immer im Anflug auf
ein neues System. Diesmal heißt es 107 Piscium, aber bisher
sieht es offen gestanden nicht verheißungsvoller aus als die
fünf anderen zuvor. Wieso glauben Sie, diesmal fündig
werden zu können?«
    Er faltete die Hände, ohne es zu merken. »Geben Sie mir
die Dominatrix«, sagte er. »Lassen Sie mich mit ihr
in dieses System fliegen.«
    Die Königin schwieg lange. Quaiche hörte nur seine
eigenen Atemzüge, hin und wieder unterbrochen von einem leisen
Brutzeln, wenn ein Insekt oder eine Ratte verendete. In eine Wand des
zwölfeckigen Raumes war eine Halbkugel aus grünem Glas
eingelassen, in der sich träge etwas bewegte. Quaiche
spürte, dass er nicht nur von der augenlosen Gestalt auf dem
Thron beobachtet wurde. Und plötzlich begriff er, dass da hinter
dem Glas die echte Königin war. Der zerstörte Körper
auf dem Thron war nur die Hülle, die sie momentan besetzt hielt.
Also entsprachen alle Gerüchte, die er jemals gehört hatte,
der Wahrheit: Die Königin war solipsistisch; sie war
süchtig danach, sich über extreme Schmerzen an die
Realität zu klammern, und hatte sich angeblich nur zu diesem
Zweck einen riesigen Vorrat an geklonten Körpern anlegen
lassen.
    »Ist das alles, Quaiche? Haben Sie gesagt, was Sie zu sagen
hatten?«
    Er seufzte. »Ich denke schon.«
    »Nun gut.«
    Sie musste heimlich einen Befehl erteilt haben, denn in diesem
Moment ging abermals die Tür auf, und ein Schwall frischer,
kalter Luft traf Quaiche im Nacken. Er fuhr herum. Der Generalmedikus
betrat mit den beiden Ultras, die ihm bei Quaiches Reanimation
geholfen hatten, den Raum.
    »Ich bin fertig mit ihm«, sagte die Königin.
    »Und wie lautet Ihre Entscheidung?«, fragte Grelier.
    Jasmina knabberte an einem Fingernagel. »Es bleibt dabei. Er
kommt in den Ehernen Panzer.«

 
Vier
Ararat

2675
     
     
    Scorpio hütete sich, Clavain beim Nachdenken zu stören.
Wie viel Zeit mochte vergangen sein, seit er ihm von dem Objekt
berichtet hatte, das vermutlich aus dem All gekommen war? Mindestens
fünf Minuten. Und seither saß Clavain immer nur da wie
eine Statue und starrte mit versteinerter Miene auf den Horizont.
    Scorpio kamen bereits Zweifel, ob sein alter Freund noch bei
Verstand war, da begann Clavain endlich zu sprechen. »Wann ist
es passiert?«, fragte er. »Wann ist dieses ›Ding‹
– was immer es sein mag – hier gelandet?«
    »Wahrscheinlich schon letzte Woche«, antwortete Scorpio.
»Gefunden haben wir es erst vor zwei Tagen.«
    Wieder trat eine dieser beängstigenden Pausen ein, doch
diesmal dauerte sie nur etwa eine Minute. Das Wasser schlug gegen den
Felsstrand, schwappte in die flachen Strandtümpel und rann
gluckernd wieder zurück.
    »Und was ist es genau?«
    »Das können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen. Es
sieht aus wie eine Kapsel. Von Menschen gebaut. Wir halten es
für eine Rettungskapsel, ausgerüstet für den
Wiedereintritt in eine Planetenatmosphäre. Wahrscheinlich ist
sie in den Ozean gestürzt und wieder aufgetaucht.«
    Clavain nickte, als sei das eher nebensächlich. »Und du
bist sicher, dass sie nicht von Galiana zurückgelassen
wurde?«
    Er sprach den Namen ganz selbstverständlich aus, aber Scorpio
ahnte, wie viel Überwindung ihn das kostete. Besonders hier, mit
Blick auf das Meer.
    Das Hyperschwein konnte sich ungefähr vorstellen, welche
Gefühle der Ozean in Clavain auslöste: tiefe Trauer und
zugleich Hoffnung der grausamsten Art. Kurz bevor sich sein Freund
auf eigenen Wunsch aus der Inselregierung zurückgezogen hatte,
war ihm in einem unbedachten Moment die Bemerkung entschlüpft:
»Jetzt sind sie alle fort. Das Meer

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