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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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funktioniert,
haben wir wahrscheinlich alles, was wir brauchen, in unserer eigenen
Notfallausrüstung.«
    »Machen Sie auf!«, sagte Clavain. Seine Stimme klang
hohl, als ahnte er etwas, das allen anderen bisher noch entgangen
war.
    Man hörte ein Zischen, dann sprang der Koffer auf. Mehrere
Tabletts kamen zum Vorschein, voll gepackt mit mattweißen
chirurgischen Instrumenten in passgenauen Hartschaumeinsätzen.
Die Instrumente mit ihren Griffschalen und Präzisionsgelenken
erinnerten Scorpio an ein exotisch-bizarres Essbesteck. Sie bestanden
nicht aus intelligentem Material, denn sie waren für den Einsatz
im Krieg bestimmt, wo höher entwickelte Spezialinstrumente durch
unkontrollierbare Nanomaschinen zerstört werden konnten.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte Skade.
    Jaccottet hob mit behandschuhten Fingern ein Instrument aus seiner
Einbettung. Seine Hand zitterte. »Ich bin eigentlich kein
Chirurg«, sagte er. »Ich hatte beim Sicherheitsdienst eine
Sanitätsausbildung absolviert, aber die ging nicht bis zur
Feldchirurgie.«
    »Kein Problem«, erklärte Skade. »Wie gesagt,
ich kann Sie durchsteuern. Sie sind der Einzige, der dafür
infrage kommt. Das Schwein hat nicht die nötige
Fingerfertigkeit, und Khouri steht emotional zu sehr unter Druck. Und
Clavain… nun, das versteht sich wohl von selbst.«
    »Nicht nur wegen meiner Hand«, sagte Clavain.
    »Nein, nicht allein deshalb«, stimmte Skade zu.
    »Sag es ihnen«, verlangte Clavain.
    »Clavain kann die Operation nicht
durchführen…« – Skade wandte sich an die drei
anderen, als wäre Clavain gar nicht da –, »weil er ihr
Ende nicht mehr erleben wird. So lautet nämlich meine Bedingung:
Ihr könnt mit Aura abziehen, aber Clavain stirbt hier und jetzt.
Das ist nicht verhandelbar, Widerspruch ist zwecklos. Entweder
läuft es so, oder es läuft überhaupt nicht. Ihr habt
die Wahl.«
    »Das können Sie nicht machen«, sagte Scorpio.
    »Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Clavain
stirbt. Aura bleibt am Leben. Ihr könnt mit dem abziehen, was
ihr haben wolltet. Ist das etwa kein befriedigendes
Ergebnis?«
    »Nicht so«, sagte Khouri. »Bitte nicht
so.«
    »Bedauerlicherweise habe ich mir alles schon sehr genau
überlegt. Ich liege nämlich im Sterben. Dieser Palast ist
mein Mausoleum. Damit bleiben – zumindest für mich –
nicht mehr viele Alternativen. Entweder sterbe ich und nehme Aura
mit. Dann verliert die Menschheit – was immer man darunter
versteht – alles, was dieses Kind an Gaben hat. Oder ich
überlasse sie euch, dann können diese Gaben nutzbar gemacht
werden. Auf lange Sicht mag das weder die Ausrottung verhindern noch
das Überleben garantieren, aber es könnte den Ausschlag
geben zwischen Ausrottung jetzt, in diesem Jahrhundert, und
Ausrottung erst in einigen Jahrtausenden. Nicht gerade eine
großzügig bemessene Gnadenfrist, gewiss… aber wie ich
die menschliche Natur einschätze, werden wir nehmen, was wir
kriegen können.«
    »Vielleicht kann sie noch mehr bewirken«, sagte
Clavain.
    »Das werden wir beide nicht mehr erfahren, aber ich will dir
nicht widersprechen. Was Aura wert ist, lässt sich – noch
– nicht abschätzen. Deshalb ist sie ja auch immer noch so
begehrt.«
    »Warum geben Sie sie nicht frei?«, fragte Khouri.
»Geben Sie sie frei und tun Sie das einzige Mal in Ihrer
beschissenen Existenz etwas Gutes.«
    »Hast du sie mitgebracht, um die Verhandlungen zu
erleichtern?« Skade zwinkerte Clavain zu. In diesem Moment
wirkten sie wie zwei alte Freunde, die in heiteren Erinnerungen
schwelgten.
    »Keine Sorge«, sagte Clavain zu Khouri. »Sie
bekommen Aura wieder.«
    »Nein, Clavain, nicht auf diese Weise«, wehrte sie
ab.
    »Anders wird es nicht gehen«, gab er zurück.
»Dafür kenne ich Skade zu gut. Wenn sie sich etwas in den
Kopf gesetzt hat, dann bleibt sie auch dabei.«
    »Ein Glück, wenn du das begreifst«, sagte Skade.
»Du hast vollkommen Recht. Meine Position steht
unverrückbar fest.«
    »Warum töten wir sie nicht?«, fragte Khouri.
»Und operieren sofort hinterher?«
    »Es wäre einen Versuch wert«, sagte Scorpio. In
Chasm City hatte er – zur Abschreckung – oftmals so langsam
wie möglich töten müssen. Aber er kannte auch
verschiedene Möglichkeiten, das Leben eines intelligenten Wesens
rasch zu beenden. Solche Verfahren fanden etwa bei Euthanasie- oder
Auftragsmorden Anwendung. Einige waren wirklich sehr schnell. Die
Schwierigkeit war nur, dass er keines davon jemals wissentlich an
einem

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