Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
daran wirst du dich
halten.«
    »Machen Sie es nicht schwerer als unbedingt nötig«,
bat Scorpio.
    »Er braucht doch nicht zu leiden?«, fragte Khouri.
»Er kann doch den Schmerz blockieren?«
    »Dazu wollte ich gerade kommen.« Skade lächelte
schlangenhaft und weidete sich an ihrer eigenen Schläue.
»Clavain – würdest du deinen Freunden bitte
erklären, was du mir gestatten wirst.«
    »Ich habe keine Wahl, nicht wahr?«
    »Nicht, wenn du die Sache zu Ende bringen willst.«
    Clavain rieb sich die Stirn. Sie war mit Reif bedeckt, die
Augenbrauen waren weiß wie kleine Hermeline. »Seit ich
diesen Raum betrat, rennt Skade mit ihren Angriffsalgorithmen gegen
meine neuronalen Barrikaden, Sicherheitsschichten und Firewalls an
und versucht, zu den tiefer liegende Kontrollmechanismen
vorzudringen. Und ich muss sagen, sie ist ungeheuer stark. Das
Einzige, was sie noch aufhält, ist das Alter meiner Implantate.
Sie müssen ihr vorkommen wie eine mechanische Rechenmaschine.
Mit ihren hoch entwickelten Verfahren kommt sie auf diesem
Schlachtfeld nicht weiter.«
    »Und?«, sagte Khouri und kniff die Augen zusammen, als
hätte sie etwas Offensichtliches übersehen.
    »Wenn es ihr gelänge, diese Schichten zu
durchbrechen«, sagte Clavain, »könnte sie alle von mir
errichteten Schmerzblockaden abschalten. Sie könnte wie in einem
Damm einen Durchlass nach dem anderen öffnen und den Schmerz
einströmen lassen.«
    »Aber sie schafft es nicht?«, fragte Scorpio.
    »Nur, wenn ich es zulasse. Nur, wenn ich sie hereinbitte und
die Kontrolle an sie abgebe.«
    »Aber das würdest du doch niemals tun.«
    »Nein«, sagte Clavain. »Es sei denn, sie würde
mich dazu zwingen.«
    »Skade, bitte«, sagte Khouri.
    »Senke die Blockaden ab«, sagte Skade, ohne sie zu
beachten. »Senke sie ab und gewähre mir Zutritt. Sonst
ziehe ich mein Angebot zurück. Und Aura stirbt.«
    Clavain schloss die Augen nur ein klein wenig länger als bei
einem normalen Lidschlag und setzte – vermutlich mit vielen
schwierigen und selten benutzten Befehlen zur neuronalen Steuerung
– Standardsicherungen außer Kraft, die seit Jahrzehnten
bestanden hatten.
    Dann schlug er die Augen wieder auf. »Erledigt«, sagte
er. »Du hast die Kontrolle.«
    »Ich möchte mich vergewissern.«
    Clavain entfuhr ein leises Wimmern. Sein Unterkiefer spannte sich,
er presste die Hand auf den Stumpf seines linken Arms. An seinem Hals
traten die Sehnen wie Stricke hervor.
    »Wahrhaftig, du hast sie«, knirschte er unter
Qualen.
    »Die Verbindung steht«, erklärte Skade ihrem
Publikum. »Er kann mich nicht mehr abwehren oder meine Befehle
blockieren.«
    »Bringen wir es hinter uns«, bat Clavain noch einmal.
Seine Züge entspannten sich, als sei eine Wolke
vorübergezogen. Scorpio verstand. Skade wollte ihn zwar foltern,
aber eine externe Schmerzquelle hätte sie bei ihren
sorgfältig koordinierten Bemühungen gestört.
Besonders, wenn diese Schmerzquelle nichts mit ihren eigenen
Plänen zu tun hatte.
    Skade legte die behandschuhten Hände auf ihren Leib. Bisher
war die Rüstung fugenlos glatt gewesen, doch jetzt löste
sich die stark gewölbte weiße Platte vor dem
Oberkörper. Skade legte sie neben sich und drückte die Arme
wieder an die Seiten. Unter der Öffnung spannte sich ein
dünnes Netz, die innere Schicht eines Raumanzugs, und darunter
zitterte weiches menschliches Fleisch.
    »Wir sind bereit«, sagte sie.
    Jaccottet kniete neben ihr nieder und drückte ein Knie gegen
den Eishügel, der Skades untere Körperhälfte bedeckte.
Der schwarze Koffer mit den Chirurgeninstrumenten stand offen neben
ihm.
    »Schwein«, sagte sie. »Nimm ein Skalpell aus dem
unteren Fach. Das genügt fürs Erste.«
    Scorpio versuchte mit dem Huf das Instrument aus dem Hartschaum zu
scharren. Khouri beugte sich vor, holte es heraus und reichte es
ihm.
    »Ich bitte Sie zum letzten Mal«, sagte Scorpio.
»Zwingen Sie mich nicht dazu.«
    Clavain setzte sich mit untergeschlagenen Beinen neben ihn.
»Lass es gut sein, Scorp. Tu einfach, was sie sagt. Ich habe
noch ein paar Asse im Ärmel, von denen sie nichts weiß.
Sie wird nicht alle meine Befehle blockieren können, auch wenn
sie sich das einbildet.«
    »Du erzählst ihm das nur, weil du meinst, du
würdest es ihm damit leichter machen«, höhnte
Skade.
    »Er hat mich noch nie belogen«, sagte Scorpio. »Ich
glaube nicht, dass er jetzt damit anfängt.«
    Das weiße Messerchen in seiner Hand war lächerlich
leicht, ein harmloses Chirurgenspielzeug.

Weitere Kostenlose Bücher