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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Culver?«
    »Solange wir schwarze Zahlen schreiben, können wir
machen, was wir wollen.« Wieder machte der Jammer einen Satz.
Rachmika wurde gegen die Metallwand geschleudert. »Sie
drückt meistens beide Augen zu, das muss man ihr
lassen.«
    »Das habe ich auch schon gehört. Aber jetzt muss ich
wirklich zusehen, dass ich aus diesem Anzug rauskomme…
Könntest du mir zeigen, wo ich schlafe?«
    Culver führte sie zu einer winzigen Nische zwischen zwei
vibrierenden Generatoren. Auf dem Boden lag eine nicht sehr saubere
Matratze mit einem Kissen und einer glatten, silbrig glänzenden
Steppdecke. Ein Vorhang schützte vor neugierigen Blicken.
    »Du hast hoffentlich keine Luxussuite erwartet«, sagte
Culver.
    »Ich war auf das Schlimmste gefasst.«
    Culver zögerte immer noch. »Soll ich dir wirklich nicht
helfen, den Anzug los zu werden?«
    »Ich schaffe das schon, danke.«
    »Du hast doch noch etwas anderes zum Anziehen
dabei?«
    »Was ich unter dem Anzug trage und was ich mitgebracht
habe.« Rachmika klopfte auf die Tasche, die sie sich unter dem
Lebenserhaltungsgerät auf den Rücken geschnallt hatte. Sie
spürte unter dem Stoff die harte Kante ihres Notepads. »Du
hast doch wohl nicht ernsthaft geglaubt, ich würde ohne Kleider
losziehen?«
    »Nein«, brummte Culver.
    »Gut. Und jetzt lauf zu deinen Eltern und sag ihnen, dass ich
heil und gesund bin. Und richte ihnen bitte auch aus, dass ich es gar
nicht erwarten kann, das Dorf zu verlassen.«
    »Wir fahren, so schnell es geht«, sagte Culver.
    »Genau das«, gab Rachmika zurück, »finde ich
beunruhigend.«
    »Hast du es wirklich so eilig?«
    »Ich möchte möglichst schnell die Kathedralen
erreichen, das ist richtig.«
    Culver musterte sie neugierig. »Bist du so fromm?«
    »Eigentlich nicht. Es geht eher um eine
Familienangelegenheit.«

 
107 Piscium

2615
     
     
    Quaiche erwachte in einer dunklen Höhlung, die genau der Form
seines Körpers angepasst war.
    Für einen Moment schwebte er, frei von Sorgen und
Ängsten, selig im Nichts und wartete darauf, dass sein
Gedächtnis zurückkehrte. Dann brachen sämtliche
Erinnerungen auf einmal über ihn herein wie eine Horde
ungebetener Gäste, bevor sie sich zu einer gewissen Chronologie
bequemten.
    Man hatte ihn geweckt und mit der unerfreulichen Aussicht auf eine
Audienz bei der Königin konfrontiert. Er hatte in dem
zwölfeckigen Zimmer mit den Folterinstrumenten gestanden, in
einem morbiden Halbdunkel, in dem gelegentlich ein Blitz aufzuckte,
wenn irgendwelches Ungeziefer durch einen Stromschlag getötet
wurde. Die Königin hatte einen Totenschädel mit
Fernsehaugen in der Hand gehalten und mit ihm Katz und Maus gespielt.
Wie hatte er nur erwarten können, sie würde ihm verzeihen?
Das war sein schlimmster, sein unverzeihlichster Fehler gewesen.
    Quaiche hatte inzwischen begriffen, wo er sich befand und was mit
ihm geschehen war, und begann vor Entsetzen zu schreien. Seine Stimme
klang weichlich und erstickt, beunruhigend kindlich. Er schämte
sich, solche Laute aus seinem Mund dringen zu hören. Obwohl er
sich nicht rühren konnte, war er nicht unbedingt gelähmt
– er hatte nur keinen Platz, um irgendeinen Teil seines
Körpers um mehr als ein paar Millimeter zu bewegen.
    Ein Zustand, der ihm seltsam vertraut vorkam.
    Allmählich wurden seine Schreie heiserer und gingen über
in harte, rasselnde Atemzüge, die minutenlang anhielten.
Schließlich fing er an zu summen, sechs bis sieben Töne,
die er zwanghaft wiederholte wie ein Irrer oder wie ein Mönch.
Sicherlich steckte er bereits im Eis. Man hatte auf eine Zeremonie
verzichtet, Jasmina hatte ihn auch nicht mehr rufen lassen, um ihn
wegen seiner Unfähigkeit zu geißeln. Man hatte ihn
kurzerhand in den Panzer gesteckt und in dem Eisschild vergraben, den
die Gnostische Himmelfahrt vor sich herschob. Er hatte keine
Vorstellung, wie lange das her sein mochte, etliche Stunden
vielleicht oder gar schon einen ganzen Tag. Dass es noch mehr sein
könnte, wagte er nicht einmal zu denken.
    Das Entsetzen wurde von hartnäckigen Zweifeln begleitet. Das
Bild war nicht ganz stimmig. Vielleicht war ihm die enge Höhlung
allzu vertraut, vielleicht störte ihn auch, dass es
überhaupt nichts zu sehen gab.
    Eine Stimme meldete: »Achtung, Quaiche. Achtung, Quaiche.
    Bremsphase abgeschlossen. Erbitte Anweisung zum Einschießen
ins System.«
    Es war die ruhige, onkelhafte Stimme der cybernetischen
Unterpersönlichkeit der Dominatrix.
    Schlagartig kam ihm die Erleuchtung. Er

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