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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sich die Klappe
– nur zwei Zentimeter weit. Doch schon stach ein Streifen
grellen Tageslichts wie ein Messer durch das Visier ihres Helms. Sie
drückte fester; nun ließ sich die Klappe vollends
öffnen. Rachmika zog sich ins Freie und setzte sich auf die
Kante. Jetzt sah sie, dass die Tür zwei Zentimeter dick mit
frischem Schnee bedeckt gewesen war. Manchmal schneite es auf Hela,
besonders wenn die Geysire Kelda oder Ragnarok aktiv waren.
    Nach der Uhr im Haus war es früh am Morgen, aber
draußen besagte das nicht viel. Die Dorfbewohner (viele waren
von Yellowstone durch den interstellaren Raum geflüchtet)
hielten sich nach wie vor an den 26-Stunden-Zyklus ihrer Heimat,
obwohl Hela eine ganz andere Welt mit eigenen und sehr komplexen
Zyklen war. Tatsächlich dauerte ein Tag auf Hela etwa vierzig
Stunden, denn so lange brauchte der Mond, um seine Mutterwelt, den
Gasriesen Haldora, einmal zu umkreisen. Da Helas Inklination zu
seiner Orbitalebene praktisch null war, hatten alle Punkte auf der
Oberfläche während eines Umlaufs etwa zwanzig Stunden
Dunkelheit. Das Ödland von Vigrid befand sich zurzeit auf der
Tagseite, und das würde noch weitere sieben Stunden so bleiben.
Auf Hela gab es noch eine zweite Art von Dunkelheit, denn der Mond
musste auf seiner Bahn um Haldora auch einmal den Schatten des
Gasriesen durchwandern. Doch diese kurze Nacht dauerte nur zwei
Stunden und war deshalb für die Dorfbewohner kaum von Bedeutung.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Mond außerhalb von
Haldoras Schatten befand, war immer größer als
umgekehrt.
    Nach wenigen Sekunden hatte sich Rachmikas Visier so weit
abgedunkelt, dass sie sich orientieren konnte. Sie zog die Beine aus
dem Loch, schloss vorsichtig die Tür zur Oberfläche und
verriegelte sie. Nun konnte die Schleusenkammer wieder belüftet
werden. Selbst wenn ihre Eltern bereits in Druckanzügen unten
warten sollten, könnten sie die Oberfläche erst in zwei
Minuten erreichen. Und wenn sie durch die öffentlichen Tunnel
zum nächsten Ausgang gingen, würde es noch länger
dauern.
    Rachmika stand auf und entfernte sich mit raschen Schritten, die
hoffentlich nicht hektisch oder gar panisch wirkten. Das Glück
war ihr auch weiterhin hold: Sie hatte damit gerechnet, mehrere
Dutzend Meter blankes Eis überqueren zu müssen, sodass man
ihre Spur anfangs leicht hätte verfolgen können. Aber
jemand anderer war diesen Weg erst kurz vorher gegangen, und seine
Spuren führten nicht in die Richtung, die sie einzuschlagen
gedachte. Wenn ihr jetzt jemand folgte, konnte er nicht wissen,
welcher Fährte er nachgehen sollte. Die Abdrücke sahen aus,
als könnten sie ihrer Mutter gehören, für die Schuhe
ihres Vaters waren sie zu klein. Rachmika überlegte kurz, was
ihre Mutter wohl vorgehabt haben mochte. Sie erinnerte sich nicht,
dass jemand in letzter Zeit einen Ausflug an die Oberfläche
erwähnt hätte.
    Gleichgültig: Es gab sicher irgendeine harmlose
Erklärung. Sie hatte genügend andere Sorgen, ohne sich auch
noch darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Rachmika folgte einem Pfad, der sich in vielen Windungen zwischen
senkrechten schwarzen Plattenradiatoren, plumpen orangeroten
Stromgeneratoren oder Navigationstranspondern und schneebedeckten
parkenden Eisjammern hindurchschlängelte. Mit den
Fußspuren behielt sie Recht, denn als sie zurückschaute,
konnte sie ihre eigenen nicht mehr von den vielen anderen
unterscheiden, die schon vorher da gewesen waren.
    Er stand vor ihr, als sie um eine Gruppe von dicht beieinander
stehenden Gebläseradiatoren bog. Er sah nicht anders aus als die
anderen parkenden Eisjammer, nur war der Schnee auf dem
Kühlergrill über der Motorhaube geschmolzen. Um zu
erkennen, ob in der Maschine Licht brannte, war es zu hell. Wo die
mechanischen Wischer den Schnee beiseite geschoben hatten, zeigte die
Windschutzscheibe fächerförmige durchsichtige Stellen, und
dahinter glaubte Rachmika Gestalten zu erkennen, die sich
bewegten.
    Sie ging um den niedrigen Jammer auf seinen drei schrägen
Beinen herum. Der bootsförmige Rumpf war bis auf ein leuchtendes
Schlangenmotiv an der Seite gleichförmig schwarz. Das Vorderbein
endete in einem breiten Ski mit gebogener Spitze, die beiden
Hinterbeine standen auf kleineren Skiern. Rachmika war nicht mehr
sicher, ob dies das richtige Fahrzeug war. Wenn sie sich jetzt
täuschte, stünde sie ziemlich dumm da. Obwohl sie den
Druckanzug trug, würde sie jeder im Dorf erkennen.
    Aber Crozets Anweisungen waren sehr präzise

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