Offenbarung
der bewohnten Teile zusammen, noch waren kritische
Systeme oder die Außenhaut betroffen. Ein kleiner lokaler
Druckabfall war zu verzeichnen, als die Luft im Innern der Kugel zu
existieren aufhörte, aber alles in allem war die Wirkung auf das
Schiff zu vernachlässigen. Anders war es mit der Wirkung auf den
Captain. Ein Teil seines nur ungenügend vermessenen
Nervensystems hatte sich wohl im Gefahrenbereich befunden, und der
Schuss hatte ihm Schmerzen zugefügt. Wie schlimm diese Schmerzen
gewesen waren, ob sie wieder abgeflaut waren oder noch anhielten,
ließ sich schwer feststellen. Vielleicht konnte man sie mit
menschlichen Begriffen nicht exakt beschreiben, und wenn doch, dann
wollte Scorpio nicht unbedingt Genaueres darüber wissen. Ihm war
nämlich ein Gedanke gekommen, der ihn erschreckte: Wenn der
Captain schon solche Schmerzen empfand, weil ein winziger Teil seines
Schiffes beschädigt worden war, wie wäre es dann erst bei
größeren Schäden?
Ja, es hätte schlimmer sein können.
Er suchte die Techniker auf, die die Waffe kalibrierten. Sie
empfingen ihn mit nervösen Gesichtern und hektischen Gesten.
Offenbar rechneten sie zumindest mit einer geharnischten
Standpauke.
»Sieht so aus, als wäre es etwas mehr als ein Meter
geworden«, sagte Scorpio.
»Es gab einfach keine Gewissheit«, verteidigte sich die
Teamleiterin aufgeregt. »Wir konnten nur Schätzungen
vornehmen und hoffen…«
Scorpio unterbrach sie. »Ich weiß. Niemand hat
erwartet, dass es einfach sein würde. Aber können Sie mit
dem, was Sie jetzt wissen, den Bereich so einstellen, dass er etwas
handlicher ist?«
Die Technikerin sah ihn erleichtert und zugleich skeptisch an, als
könnte sie es gar nicht fassen, dass Scorpio sie nicht bestrafen
wollte.
»Ich denke schon… wenn man die Wirkung zugrunde legt,
die wir eben beobachtet haben… natürlich können wir
immer noch nichts garantieren…«
»Das erwarte ich auch nicht. Aber ich verlasse mich darauf,
dass Sie Ihr Bestes tun.«
Sie nickte hastig. »Natürlich. Und die Tests?«
»Werden fortgesetzt. Wir brauchen dieses Geschütz, auch
wenn es höllisch schwer zu bedienen ist.«
Fünfunddreißig
Hela
2727
Der Dekan hatte Rachmika in sein Turmzimmer rufen lassen. Als sie
eintrat, sah sie erleichtert, dass er allein war. Der Generalmedikus
war nicht zu sehen. Sie war nicht gern in Gesellschaft des Dekans,
aber die falsche Freundlichkeit seines Leibarztes war ihr noch
weniger geheuer. Im Geiste sah sie ihn irgendwo in der Morwenna herumschleichen und sich mit seinem Blutzoll oder einer
der unsäglichen Praktiken beschäftigen, die man ihm
nachsagte.
»Haben Sie es sich bequem gemacht?«, fragte der Dekan,
als sie ihren Platz inmitten des Spiegelwaldes einnahm. »Ich
hoffe es doch sehr. Ich bin sehr beeindruckt von Ihrem Scharfsinn,
Miss Els. Es war ein brillanter Einfall von Grelier, Sie hierher
bringen zu lassen.«
»Schön, dass ich Ihnen behilflich sein konnte«,
sagte Rachmika. Sie goss sich einen Schluck Tee ein. Die Tasse
zitterte in ihren Händen. Sie wollte nichts trinken – schon
der Gedanke, dass sich der Eherne Panzer mit ihr in einem Raum
befand, stellte ihre Nerven auf eine harte Probe –, aber sie
musste wenigstens den Anschein von Ruhe bewahren.
»Ein echter Glücksfall«, sagte Quaiche. Er lag fast
reglos in seinem Stuhl, nur seine Lippen bewegten sich. Im Turmzimmer
war es kälter als sonst, und bei jedem Wort hing ihm der Atem
wie eine weiße Wolke vor dem Mund. »Fast schon zu viel
Glück.«
»Wie darf ich das verstehen, Dekan?«
»Sehen Sie sich das Malachitkästchen an«, sagte er.
»Es steht auf dem Tisch neben dem Teegeschirr.«
Rachmika war das Kästchen bisher nicht aufgefallen, aber sie
war sicher, dass es bisher nicht da gewesen war, wenn sie das
Turmzimmer besuchte. Es stand auf kleinen Füßen, die wie
Hundepfoten aussahen. Sie nahm es in die Hand. Es war leichter als
erwartet. Sie nestelte an den goldglänzenden
Metallverschlüssen herum, bis der Deckel aufsprang. Drinnen
befanden sich viele Papiere: Blätter und Umschläge in allen
Farben und Sorten, ordentlich mit einem Gummiband zusammengehalten
.
»Öffnen Sie sie nur«, sagte der Dekan, »und
werfen Sie einen Blick hinein.«
Sie nahm das Bündel heraus und zog das Gummiband ab. Die
Papiere ergossen sich über den Tisch. Sie zog willkürlich
ein Blatt heraus und entfaltete es. Es war blassblau und so dünn
und durchscheinend, dass es nur auf einer Seite beschrieben war.
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