Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
fast wie eine Entschuldigung.
    »Soll das heißen, du kannst dich nicht davon
trennen?«, fragte Scorpio. Er witterte immer noch überall
Clavains Geruch.
    »Es wird mir nicht leicht fallen.« Clavain schloss die
Tür hinter sich und wandte sich an Vasko. »Was wissen Sie
über Skade und Remontoire?«
    »Ich habe die Namen noch nie gehört.«
    Clavain ließ sich in den Klappstuhl sinken, die beiden
anderen mussten stehen bleiben. »Remontoire war – ist
– einer meiner ältesten Verbündeten. Synthetiker wie
ich. Ich habe ihn auf dem Mars kennen gelernt, als wir gegeneinander
kämpften.«
    »Und Skade, Sir?«
    Clavain nahm eines der Muschelstücke in die Hand und
betrachtete es zerstreut. »Skade ist eine andere Geschichte.
Ebenfalls Synthetikerin, aber aus einer späteren Generation als
wir beide. Sie ist klüger und schneller und fühlt sich der
alten Menschheit emotional in keiner Weise verbunden. Sobald offenbar
wurde, welche Bedrohung die Unterdrücker darstellten, schmiedete
Skade Fluchtpläne. Das Mutternest sollte diesen Raumabschnitt
verlassen, um sich zu retten. Ich war damit nicht einverstanden
– wir hätten den Rest der Menschheit einfach im Stich
gelassen, anstatt uns gegenseitig zu helfen –, und deshalb
desertierte ich. Remontoire schlug sich nach anfänglichen
Bedenken auf meine Seite.«
    »Dann hasst Skade Sie alle beide?«, fragte Vasko.
    »Bei Remontoire ist sie sich vielleicht nicht so ganz
sicher«, sagte Clavain. »Aber bei mir? Nein, was Skade
betrifft, habe ich mehr oder weniger alle Brücken hinter mir
verbrannt. Als ich sie mit einem Stahlseil, an dem ein Raumschiff
vertäut war, mittendurch schnitt, war das der Tropfen, der das
Fass zum Überlaufen brachte.«
    Scorpio zuckte die Achseln. »So was kommt vor.«
    »Remontoire hat sie gerettet«, fuhr Clavain fort.
»Vermutlich hält sie ihm das zugute, obwohl auch er sie
später verriet. Aber bei Skade sollte man sich auf nichts
verlassen. Ich dachte, ich hätte sie bei unserer letzten
Begegnung getötet, aber ich kann nicht ausschließen, dass
sie wieder davongekommen ist. In ihrem letzten Funkspruch wurde das
jedenfalls behauptet.«
    »Und wieso warten wir auf Remontoire und die anderen,
Sir?«, fragte Vasko.
    Clavain sah Scorpio misstrauisch an. »Viel weiß er
wirklich nicht.«
    »Dafür kann er nichts«, sagte Scorpio. »Du
darfst nicht vergessen, dass er auf diesem Planeten geboren wurde.
Was vor unserer Ankunft geschah, ist für ihn alte Geschichte. So
denken die meisten Jungen, ob Menschen oder Schweine.«
    »Das ist keine Entschuldigung«, sagte Clavain. »In
meiner Jugend waren wir neugieriger.«
    »In deiner Jugend war es ein Zeichen von Schwäche, wenn
du vor dem Frühstück nicht zwei Völkermorde
verübt hattest.«
    Darauf sagte Clavain nichts. Er legte das Muschelstück
beiseite, nahm ein anderes und fuhr sich damit über die feinen
Härchen auf dem Handrücken, um die Schärfe zu
prüfen.
    »Ich bin nicht ganz unwissend, Sir«, sagte Vasko hastig.
»Ich weiß, dass Sie von Yellowstone nach Resurgam kamen,
als die Maschinen daran gingen, unser Sonnensystem zu zerstören.
Sie halfen mit, die ganze Kolonie – fast zweihunderttausend
Menschen – auf die Sehnsucht nach Unendlichkeit zu
bringen und zu evakuieren.«
    »Es waren eher einhundertundsiebzigtausend«, verbesserte
Clavain. »Und kein Tag vergeht, ohne dass ich um die trauere,
die wir nicht retten konnten.«
    »Wenn man bedenkt, wie viele du gerettet hast, wird dir das
niemand übel nehmen«, mischte sich Scorpio ein.
    »Das müssen wir dem Urteil der Geschichte
überlassen.«
    Scorpio seufzte. »Wenn du dich in Selbstvorwürfen suhlen
willst, Nevil, dann lass dich nicht stören. Ich persönlich
muss mich um eine rätselhafte Kapsel und eine Kolonie
kümmern, die ihren Führer gerne wieder hätte. Am
besten gewaschen und gekämmt und ohne diesen durchdringenden
Geruch nach Seetang und ungelüfteter Bettwäsche. Nicht
wahr, Vasko?«
    Clavain sah Vasko sekundenlang prüfend an. Scorpio
spürte, wie sich die feinen, hellen Härchen in seinem
Nacken sträubten. Er ahnte, dass der Junge an einem strengen
Wertesystem gemessen wurde, das über Jahrhunderte entstanden und
immer weiter verfeinert worden war. In diesen Momenten entschied sich
vermutlich Vaskos weiteres Schicksal. Sollte Clavain zu der Ansicht
kommen, er sei seines Vertrauens nicht würdig, dann würde
es keine Indiskretionen mehr geben, kein Wort über Individuen,
die nicht der gesamten Kolonie bekannt waren.

Weitere Kostenlose Bücher