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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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zu
faul, um wenigstens mit ein paar klassischen Zitaten um sich zu
werfen.«
    »Aber jemand muss hier gewesen sein«, wandte
Morwenna ein. »Sonst gäbe es die Brücke
nicht.«
    Quaiche lächelte. Auf dieses Argument hatte er nur gewartet.
»Das ist der springende Punkt. Ich glaube nicht, dass jemand
diese Brücke gebaut hat.« Mühsam schob er sich durch
die enge Öffnung. Die Bucht registrierte seine
Körperwärme, die Lichter gingen an. »Jedenfalls kein
Mensch.«
    Morwenna nahm die Eröffnung mit einer Gelassenheit auf, die
er nur bewundern konnte. Vielleicht war er leichter zu durchschauen,
als er gedacht hatte.
    »Du glaubst also, du wärst auf ein Alien-Artefakt
gestoßen?«
    »Nein«, sagte Quaiche. »Nicht auf ein Alien-Artefakt, sondern auf das Alien-Artefakt
schlechthin, verdammt noch mal. Ich bin sicher, das faszinierendste
und schönste Objekt im ganzen bekannten Universum gefunden zu
haben.«
    »Und wenn es eine natürliche Formation ist?«
    »Glaube mir, wenn ich dir die Bilder zeigen könnte,
würdest du deine kleinlichen Bedenken sofort
verwerfen.«
    »Trotzdem solltest du nicht so voreilig sein. Wenn die Natur
genügend Zeit und Raum hat, ist sie zu den erstaunlichsten
Leistungen fähig. Ich habe Formationen gesehen, bei denen man
schwören würde, sie wären das Werk einer planenden
Intelligenz.«
    »Ich auch«, sagte er. »Aber auf diese Brücke
trifft das nicht zu. Du musst mir vertrauen.«
    »Natürlich vertraue ich dir. Was bleibt mir denn auch
anderes übrig?«
    »Ich hätte mir eine etwas andere Antwort
gewünscht«, sagte Quaiche, »aber im Moment muss ich
mich wohl damit zufrieden geben.«
    Er drehte sich um. Die Ausstiegsbucht hatte nur die Ausmaße
eines kleineren Badezimmers und etwa die gleiche antiseptische
Atmosphäre. Hier ging es immer eng zu, aber jetzt hing über
der ovalen Klappe, durch die man ins All gelangte, obendrein Quaiches
kleine Privatlandefähre auf ihrem Parkschlitten.
    Quaiche strich wie üblich mit heimlicher Bewunderung
über den glatten Rumpf der Räubertochter. Das
Schiffchen schnurrte unter seinen Händen und zerrte an den
Befestigungen.
    »Ganz ruhig, Mädchen«, flüsterte Quaiche.
    Die Räubertochter war ein robustes Erkundungsschiff,
das aussah wie eine schnittige Luxusjacht. Kaum größer als
Quaiche selbst, war sie in der letzten Hochphase der demarchistischen
Technik gebaut worden. Der schwach lichtdurchlässige,
aerodynamische Rumpf glich einer Skulptur, die der Künstler aus
einem einzigen Bernsteinklumpen geschnitten und auf Hochglanz poliert
hatte. Unter der Oberfläche schimmerten die mechanischen Teile
in Bronze und Silber. Elastische Flügel schmiegten sich an die
Flanken. In vakuumdichten Nischen innerhalb des Rumpfes warteten
verschiedene Sensoren und Sonden auf ihren Einsatz.
    »Öffne dich«, flüsterte Quaiche.
    Was nun geschah, verursachte ihm jedes Mal Kopfschmerzen. Binnen
eines Lidschlags glitten verschiedene scheinbar nahtlos mit ihrer
Umgebung verbundene Rumpfpartien beiseite, zogen sich zusammen,
rollten sich auf oder drehten sich und gaben den Blick auf eine
kleine Höhlung frei. Die Kabine – die Wände waren
gepolstert und mit Lebenserhaltungssystemen, Schaltern und Anzeigen
zugepflastert – bot gerade Platz für einen ausgestreckt
liegenden Menschen. Die ganze Öffnungsprozedur war wie eine
obszöne Aufforderung, der man sich nur schwer entziehen
konnte.
    Normalerweise hätte er bei dem Gedanken, sich in ein so enges
Loch zu zwängen, klaustrophobische Ängste entwickelt.
Stattdessen konnte er es kaum erwarten, die Fähre zu besteigen,
es kribbelte ihm geradezu in den Fingern. Der durchsichtige
Bernsteinrumpf erschien ihm nicht wie ein Gefängnis, sondern wie
der Zugang zu den unermesslichen Schätzen des Universums. Mit
diesem winzigen Juwel konnte er nicht nur die Atmosphäre von
Welten durchfliegen, sondern sogar in die Tiefen ihrer Ozeane
vordringen. Schiffseigene Wandler übertrugen die Umgebungsdaten
auf alle seine Sinne, einschließlich des Tastsinns. Er konnte
die Kälte fremder Meere spüren und die Farben fremder
Sonnenuntergänge sehen. Auf den fünf bisherigen
Erkundungsmissionen im Auftrag der Königin hatte er trunken vor
Verzückung Wunder über Wunder in sich aufgenommen. Nur
leider war kein einziges Wunder darunter gewesen, das man hätte
mitnehmen können, um es Gewinn bringend zu verkaufen.
    Quaiche ließ sich von oben in die Tochter hinab. Der
Schiffsrumpf geriet in Bewegung, umfloss ihn und passte sich

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