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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hatte Rachmika immer liebevoll betreut, aber einige Jahre
später musste sie nach einem kleineren Skandal den Kindergarten
verlassen. Wenig später hatte sie Crozet geheiratet. Die
Klatschbasen im Dorf hielten das für einen Fall von ›Gleich
und Gleich gesellt sich gern‹, aber Rachmika fand Crozet ganz in
Ordnung. Er war ein Sonderling, der gern für sich blieb, aber
das war auch alles. Als Linxe überall geächtet wurde, hatte
er zu den wenigen Dorfbewohnern gehört, die sich nicht abhalten
ließen, sie zu grüßen. Rachmika mochte Linxe nach
wie vor gut leiden und hatte deshalb auch gegen ihren Ehemann nicht
viel einzuwenden.
    Crozet lenkte den Eisjammer mit zwei Steuerknüppeln zu beiden
Seiten seines Sitzes. Auf seinen unrasierten Wangen lag immer ein
bläulicher Schatten, und sein schwarzes Haar glänzte
fettig. Rachmika brauchte ihn nur anzusehen, um ein Bedürfnis
nach Wasser und Seife zu verspüren.
    »Wer sagt denn, dass ich was umsonst haben will?«,
fragte Crozet. »Mag sein, dass wir nicht so viel rausholen wie
letztes Jahr, aber den Bastard, der das schafft, möchte ich erst
mal sehen.«
    »Würden Sie eventuell umziehen, um näher am Weg zu wohnen?«, fragte Rachmika.
    Crozet wischte sich die Nase am Ärmel ab. »Eher hacke
ich mir selbst ein Bein ab.«
    »Crozet ist nicht gerade ein eifriger Kirchgänger«,
erläuterte Linxe.
    »Ich bin auch nicht gerade der frommste Mensch im ganzen
Ödland«, sagte Rachmika, »aber wenn ich zwischen der
Kirche und dem Hungertod zu wählen hätte, weiß ich
nicht, wie lange ich bei meinen Überzeugungen bliebe.«
    »Wie alt bist du noch mal?«, fragte Linxe.
    »Siebzehn. Fast achtzehn.«
    »Hast du viele Freunde im Dorf?«
    »Eigentlich nicht, nein.«
    »Das überrascht mich nicht.« Linxe tätschelte
ihr das Knie. »Du bist wie wir. Du passt dich nicht an, das war
immer so und wird auch immer so bleiben.«
    »Ich gebe mir Mühe. Aber wenn ich mir vorstelle, ich
müsste den Rest meines Lebens hier verbringen, dann ertrage ich
das nicht.«
    »So denken viele in deiner Generation«, sagte Linxe.
»Sie sind wütend. Die Sabotage vergangene Woche…«
Sie meinte die Explosion im Sprenglager. »Wer will es ihnen
verdenken, wenn sie einfach um sich schlagen?«
    »Die anderen sagen nur, sie wollen aus dem Ödland
weg«, erklärte Rachmika. »Sie glauben alle, sie
könnten bei den Karawanen oder sogar in den Kathedralen reich
werden. Und vielleicht haben sie Recht. Wenn man die richtigen Leute
kennt, hat man gute Chancen. Aber mir genügt das
nicht.«
    »Du willst weg von Hela«, sagte Crozet.
    Rachmika erinnerte sich an die Rechnung, die sie heute Morgen
aufgemacht hatte, und führte sie weiter. »Ich habe ein
Fünftel meines Lebens hinter mir. Wenn alles so weitergeht wie
bisher, bleiben mir noch etwa sechzig Jahre. Mit dieser Zeit
möchte ich etwas anfangen. Ich will nicht sterben, ohne eine
Welt gesehen zu haben, die interessanter ist als diese
hier.«
    Crozet zeigte seine gelben Zähne. »Manche Leute legen
Lichtjahre zurück, um Hela zu sehen, Rach.«
    »Aus den falschen Gründen«, sagte sie. Doch dann
hielt sie inne und überlegte. Sie hatte sehr fest gefügte
Überzeugungen, die sie auch gerne zum Besten gab, aber sie
wollte ihre Gastgeber nicht kränken. »Hören Sie, ich
behaupte ja nicht, dass diese Leute alle dumm sind. Aber was hier
wichtig ist, das sind nicht die Kathedralen, nicht der Ewige Weg und nicht die Wunder, sondern die Ausgrabungen.«
    »Richtig«, nickte Crozet, »aber die sind allen
scheißegal.«
    »Uns nicht«, sagte Linxe. »Wer im Ödland sein
Brot verdient, kann sich das nicht leisten.«
    »Aber die Kirchen sehen es nicht gern, wenn wir zu tief
graben«, gab Rachmika zurück. »Ihnen sind die
Ausgrabungen lästig. Sie fürchten, wir könnten
früher oder später auf etwas stoßen, was das Wunder
weniger wunderbar aussehen ließe.«
    »Du tust ja so, als redeten die Kirchen mit einer
Stimme«, sagte Linxe.
    »Das behaupte ich gar nicht«, entgegnete Rachmika,
»aber jedermann weiß, dass sie in mancher Beziehung
gemeinsame Interessen haben. Womit ich nicht sagen will, sie
würden sich für uns interessieren.«
    »Flitzerfossilien spielen eine wichtige Rolle in Helas
Wirtschaft«, bemerkte Linxe. Es hörte sich an wie ein Zitat
aus einer langweiligen Kirchenbroschüre.
    »Und das bestreite ich auch nicht«, warf Crozet ein.
»Aber wer kontrolliert denn schon jetzt den Verkauf von
Reliquien? Die Kirchen. Sie sind auf dem besten Weg dazu, sich

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