Offene Rechnungen
Fähranleger erreicht und ließen den Fahrzeugen und einigen wenigen Fußgängern den Vortritt. Während Frank seine Frage an die Oberkommissarin stellte, schaute er einer Clique junger Leute nach, die zu einem wartenden Stadtbus eilten. Er hörte Wortfetzen einer fröhlichen, unbeschwerten Unterhaltung.
»Ja, wenn Sie es mir zutrauen«, kam die überraschte Antwort seiner Kollegin.
»Gut, dann machen wir es so. Ich habe noch Lust auf ein Glas Bier. Und Sie? Wollen Sie zurück nach Hause?«
Esther schlenderte neben ihm über den kleinen Trampelpfad zum jetzt völlig im Dunkeln daliegenden Zentrum zurück. Erst als sie neben ihren Wagen auf dem Parkplatz angekommen waren, antwortete Esther ihm.
»Ich würde lieber noch ein Bier mit Ihnen trinken, Frank. Aber meine Mutter wartet bestimmt auf mich und deswegen fahre ich nach Hause. Gute Nacht.«
Frank erwiderte den Gruß und schaute dem roten Volvo nach, als Esther vom Parkplatz wegfuhr. Esther Helmholtz schien ihm eine traurige Frau zu sein. Er fragte sich, wieso es wohl so war.
KAPITEL 10
Kaum saß Esther in ihrem Wagen, erhielt sie einen Anruf. Daraufhin fuhr sie nicht nach Hause, sondern in die Denkerstraße. Im Büro von Herbert Scholz brannte wie erwartet noch Licht und der Mitarbeiter am Empfangstresen winkte die Oberkommissarin gleich durch. Im ersten Stock betrat Esther das Büro ihres ehemaligen Kollegen, der am Besprechungstisch mit Juliane Wagenknecht und Simon Vester saß.
»Hallo, Esther. Dann wären wir wohl vollzählig. Erinnert es nur mich an die vier Musketiere?«
Herbert Scholz schob einen Becher Kaffee zu Esther über den Tisch, während er seinen Scherz losließ. Ihm fiel der bedrückte Ausdruck im Gesicht seiner ehemaligen Kollegin auf. Herbert wusste, wie beschützend Ralph sich Esther gegenüber verhalten hatte. Das war sicherlich damals eine gut gemeinte Geste gewesen, aber dadurch fehlte Esther die erforderliche Härte für diesen Fall.
»Witzig, sehr witzig. Wie hätten wir denn ahnen können, dass es Ihre Mitarbeiter sind? Wir sind davon ausgegangen, dass die Verbrecher uns jagen würden«, versuchte sich die Psychologin in einer Erklärung.
Noch immer wurmte Juliane der unglückliche Verlauf der Aktion am Zentrum. Als sich die Männer hinter den Taschenlampen als Mitarbeiter von Scholz Security herausgestellt hatten, war ihnen zunächst ein Stein vom Herzen gefallen. Doch anschließend hatte eine sehr aufgeregte Juliane mit Herbert telefoniert und ihn zum Erscheinen am Fähranleger verpflichtet. Dort kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, die der Leiter des Sicherheitsdienstes jedoch schnell beendet hatte. Nach einem kurzen Gespräch mit seinen Mitarbeitern befahl Scholz Juliane und Simon, mit ihm in sein Büro zu fahren.
Dr. Vester saß mit unglücklichem Gesichtsausdruck am Tisch, warf Esther einen entschuldigenden Blick zu.
»Im Grunde habt ihr diesen kleinen Schreck vollauf verdient. Ich hatte euch gewarnt, aber ihr wolltet ja unbedingt Hobbydetektive sein.«
Esther konnte immer noch nicht fassen, was ihr Herbert bereits am Telefon verraten hatte. Undenkbar, was den unbedarften Freunden alles hätte passieren können.
Einen Moment legte sich unangenehmes Schweigen über die Gruppe, bis Scholz sich räusperte.
»Damit genug der gegenseitigen Vorwürfe und Entschuldigungen. Meine Leute haben die Polizei immerhin auf die nächtliche Aktion in der Küche aufmerksam machen können. Vielleicht kannst du uns aufklären, was dabei herausgekommen ist.«
Esther hatte sich bereits auf der Fahrt hierher dazu entschieden, obwohl es sicherlich nicht im Sinne ihres Kieler Kollegen war. Also beschrieb sie den Ablauf der Gespräche in der Cafeteria des Zentrums, was einige erstaunte Ausrufe auslöste.
»Das ist nicht ganz das Ergebnis, welches wir erhofft hatten. Mist, einfach nur zwei Ehebrecher«, knurrte Juliane enttäuscht.
»Das ist dennoch ein Fortschritt, weil damit auch in Reuters Theoriegebäude ein Loch entstanden ist. Bisher ging er davon aus, dass die nächtlichen Treffen in der Cafeteria unter Beteiligung von Ralph oder Ariane stattgefunden hätten.«
Esthers Einwurf fand allgemeine Zustimmung.
»Wir haben aber damit weder nachgewiesen, was Ralph im Zentrum gewollt hat, noch welche merkwürdigen Aktivitäten dort sonst so ablaufen«, sprach Herbert Scholz den neuralgischen Punkt an.
Erneut legte sich nachdenkliches Schweigen über die Gruppe.
»Vielleicht können wir unsere weiteren Schritte in einer neuen Besprechung abklären. Ich
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