Offene Rechnungen
Küchenbereich. Esther sah dorthin, bevor ihr Blick wieder zurück zu den beiden schweigenden Menschen am Tisch ging.
»Die Kollegen vom Streifendienst haben sich daraufhin hier umgesehen. Frau Landau und Herr Sonntag waren in der Küche. Zunächst wollten sie sich jedoch weder ausweisen, noch den Kollegen den Grund für ihre Anwesenheit verraten.«
Langsam begriff Esther, was sich hier vor ihren Augen abspielte. Frank Reuter sah sie für einen Sekundenbruchteil an, wobei sein Blick gequält wirkte, so als wenn man ihn foltern würde. Ihr Kollege war sichtlich genervt.
»Nun, mittlerweile sind die Identitäten geklärt. Nun zu den Fragen, was sie um diese Uhrzeit hierher führt und ob sie am elften April ebenfalls hier gewesen sind, möchten weder Frau Landau noch Herr Sonntag etwas sagen.«
Obwohl er scheinbar zu seiner Kollegin sprach, schaute der Kieler Hauptkommissar ununterbrochen zu den beiden Menschen am Tisch hinunter. Offenbar hoffte Esthers Kollege noch auf eine späte Einsicht.
»Ich konnte Herrn Landau leider nicht erreichen, aber dafür ist Frau Sonntag auf dem Weg hierher. Sie müsste jeden Augenblick eintreffen.«
Esther sah Frank betroffen an. Er sah scheinbar keine andere Möglichkeit, als durch eine direkte Konfrontation mit der Ehefrau die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Verwundert schaute nun auch die Oberkommissarin zu Monika Landau und dem Ehemann von Heike Sonntag.
»Möchten Sie nicht lieber auf diese Szene verzichten«, insistierte Esther.
Der Mann hob den Kopf, sah zu Esther und dann zu Monika. Die Frau des Unternehmensberaters erwiderte weder seinen Blick, noch ließ sie sich zu einer Antwort herab. Es war Esther unverständlich, wieso Monika Landau so reagierte und sie empfand Mitleid für den Mann. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass er ja ebenfalls verheiratet war. Ihr Mitgefühl schwand umgehend wieder und bevor sie weiter auf die beiden einwirken konnte, öffnete sich die Tür zur Cafeteria und Heike Sonntag stand da. Ihr Blick wanderte langsam über die Gesichter der beiden Kriminalbeamten, verharrte einen Moment auf dem gesenkten Haarschopf von Monika Landau, um schließlich im Gesicht ihres Ehemannes zu verweilen. Innerhalb dieser kurzen Sequenz veränderte sich der Ausdruck in ihren Augen mehrfach. Stand am Beginn noch mehr eine Frage im Blick, wurde daraus anschließend eine erste Erkenntnis und wuchs dann zu sprachloser Wut heran. Esther fühlte sich ausgesprochen unwohl in ihrer Haut und wäre am liebsten aus dem Raum geeilt. Sie wurden alle soeben Zeuge, wie ein Mensch in seelische Abgründe schaute und selbst mitgerissen wurde.
»Guten Abend, Frau Sonntag. Wir hätten Ihnen diesen kleinen Besuch gerne erspart, aber leider benötigen wir Ihre Hilfe. Können Sie uns vielleicht erklären, was Ihr Ehegatte und Frau Landau um diese Uhrzeit in der Cafeteria gewollt haben?«
Esther empfand die nahezu emotionslos gestellte Frage ihres Kollegen als demütigend. Nicht für sich, aber eindeutig für Heike Sonntag. Frank nutzte die psychische Angeschlagenheit der Frau aus, um an Informationen heranzukommen. Erschüttert sah sie ihn an, erblickte einen gnadenlos vorgehenden Ermittler. Schlagartig wurde ihr der Unterschied zwischen sich selbst und dem Hauptkommissar, aber auch zwischen Ralph Wiese und dem Kollegen aus Kiel bewusst.
»Was für eine Frage. Getrieben haben die es! Und nicht nur heute, Herr Hauptkommissar. Seit Wochen läuft das schon und natürlich waren sie es auch, die das Licht in der Nacht vom elften April angelassen haben«, stieß Heike Sonntag mit kalter Stimme hervor.
Sie hatte lange genug geschwiegen, nur um die angeblich heile Familienwelt für die gemeinsamen Kinder aufrechtzuerhalten. Doch jetzt war diese Blase geplatzt und Heike machte ihrer Wut und Enttäuschung Luft.
Esther traute zuerst ihren Ohren kaum, als die betrogene Ehefrau ihr Wissen preisgab. Ihr Mann ließ einen ungläubigen Seufzer vernehmen, während eine sichtlich schockierte Monika Landau zum ersten Mal aufschaute. Zu Esthers Überraschung las sie Scham und Erleichterung gleichzeitig in dem Blick. Als Esther ihren Kollegen ansah, schüttelte der betrübt den Kopf. Sie hatte ihm völlig Unrecht getan! Offenbar hatte Frank die Zusammenhänge bereits in der Befragung von Heike Sonntag erahnt und mit dem Bekenntnis gerechnet.
»Stimmt das, Herr Sonntag?«, wollte Frank wissen.
Der Ehemann löste keine Sekunde den Blick vom Gesicht seiner Frau, nickte langsam.
»Ja, Herr Hauptkommissar.
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