Offene Rechnungen
Monika und ich waren auch am elften April hier und haben das Licht brennen lassen.«
»Und da haben Sie gesehen, wie unser Kollege ermordet wurde«, stellte Frank schlicht fest.
Esther zuckte zusammen, erkannte die offensichtlichen Zusammenhänge erst jetzt.
»Nein! Wir haben nur dieses fürchterliche Geräusch gehört, als Ralph Wiese auf den Boden aufschlug. Zuerst konnten wir es überhaupt nicht einordnen, deswegen gingen wir hinaus. Es war ein scheußlicher Anblick«, widersprach Monika Landau und meldete sich damit erstmals zu Wort.
Ein seltsamer Laut lenkte Esthers Aufmerksamkeit von Monika zu Heike. Die Pächterin der Cafeteria war wachsbleich geworden und schüttelte immer wieder den Kopf.
»Ihr habt keinen Arzt geholt? Ihr habt euch lieber verdrückt, als dem armen Kerl zu helfen? Was seid ihr nur für Menschen?«
Jede Frage kam lauter aus Heikes Mund als die vorherige und am Schluss war ihr Ekel fast mit Händen greifbar. Erneut fühlte Esther sich von den schnellen Rückschlüssen überrumpelt. Während sie noch gedanklich die neuen Informationen verarbeiten musste, hatte Heike Sonntag bereits weiter gedacht.
»Ja, das sind allerdings sehr berechtigte Fragen. Frau Landau? Herr Sonntag?«, sprach Frank Reuter das Liebespaar direkt an.
Zum ersten Mal, seit Esther angekommen war, tauschten die beiden Ehebrecher Blicke aus.
»Was hätte ein Arzt denn noch tun können? Das viele Blut und gerührt hat er sich auch nicht mehr«, kam ein schwacher Protest aus Monikas Mund.
Ihr wurde immer stärker bewusst, wie in diesem Augenblick ihr bisheriges Leben durch den Gully gespült wurde.
Erneut wurde Frank klar, wer die stärkere Persönlichkeit in der Beziehung war. Die Frau des Unternehmensberaters hatte offenbar auch in der Krisensituation die Entscheidungen getroffen, denen der Mann der Pächterin gefolgt war. Jetzt hockte er wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl und blieb sprachlos. Noch gab es keinen abschließenden Bericht vom Rechtsmedizinischen Institut aus Kiel. Der vorläufige Bericht des Pathologen ging allerdings ebenfalls vom sofortigen Tod des Opfers aus. Doch, was bedeutete dies für die beiden Augenzeugen? Esther sah fragend zu Frank Reuter, der einen Augenblick lähmendes Schweigen zugelassen hatte.
»Auf Sie kommt so oder so eine Anzeige wegen unterlassene Hilfeleistung zu. Außerdem müssen wir uns fragen, ob Sie nicht zusätzlich die laufenden Ermittlungen behindert haben. Ich erwarte Sie beide morgen in der Inspektion, wo wir Ihre Aussagen protokollieren werden.«
Der Kieler Hauptkommissar machte keinen Hehl aus seiner Abscheu. Monika Landau erhob sich und verließ die Cafeteria, wobei sie einen winzigen Augenblick zögerte, als sie unmittelbar vor Heike Sonntag stand.
»Es tut mir leid.«
Monika hauchte es eigentlich nur und vermutlich war es nur für die Ohren von Heike bestimmt gewesen. Doch in der anhaltenden Stille hatten es alle hören können. Die Pächterin würdigte Monika Landau keines Blickes, schaute einfach an ihr vorbei. Erst als die Tür hinter der Frau des Unternehmensberaters ins Schloss gefallen war, kam wieder Leben in die Pächterin.
»Brauchen Sie mich noch? Sonst würde ich gerne zusperren. Morgen kommt wieder ein anstrengender Tag auf mich zu.«
Heike hatte wie so oft in ihrem Leben die Tatsachen akzeptiert und richtete ihr Augenmerk auf die zu erledigenden Aufgaben. Das Leben würde weitergehen und dem stellte sich die pragmatische Frau.
»Heike. Bitte.«
Leise flehte der Mann um die Beachtung seiner Frau. Heike überhörte es einfach, wartete nur auf die Antwort des Hauptkommissars.
»Nein, Frau Sonntag. Für heute sind wir hier fertig.«
Frank machte Esther ein Zeichen und gemeinsam verließen sie nicht nur die Cafeteria, sondern auch das Zentrum. Ilona Specht lehnte immer noch mürrisch am Empfangstresen, das Blaulicht zuckte nach wie vor über die Fassade und der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes stand, eine Zigarette rauchend, neben seinem Einsatzfahrzeug. Frank bedankte sich bei jedem und schickte sie fort.
»Möchten Sie sofort nach Hause, Esther? Ich könnte es verstehen, aber ich selbst muss mich noch ein wenig bewegen.«
Frank schaute sie von der Seite an.
»Ich auch«, war alles, was Esther antworten konnte.
*
Frank spürte die übliche Müdigkeit, die sich nach solchen unnötigen Konfrontationen bei ihm einstellte. Es geschah im Grunde bei jeder Ermittlung, dass Menschen auf diese Art zu einer Wahrheit gezwungen werden mussten. Jedes Mal war es
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