Offene Rechnungen
Rettungshubschrauber zu einem Verkehrsunfall auf der A7 unterwegs. Da sie bei Juliane nur den Anrufbeantworter erwischte, machte sie sich auf den Weg nach Hause. Als Esther ins Wohnzimmer trat, verfolgte ihre Mutter eine der vielen täglichen Soaps.
»Salat? Na, ja. Warum nicht.«
Schon diese wenigen Worte reichten aus, um Esther innerlich aufatmen zu lassen. Ihr Friedensangebot war von der Mutter erkannt und gnädig angenommen worden. Bis zum Schluss der laufenden Folge einer Krankenhausserie ging Esther in die Küche. Sie verstaute die Einkäufe, zu denen auch eine Flasche Williams Christ Birnenschnaps gehörte. Der Schnaps war ein Teil ihrer Kindheit. Ihre Eltern hatten regelmäßig einen oder auch zwei Gläser nach dem Abendessen getrunken. Seit dem Tod ihres Vaters hatte es dieses Ritual nicht mehr gegeben.
»Na, Kind. Wie war dein Dienst?«
Esthers Mutter war in der Küche aufgetaucht, stellte die benutzte Kaffeetasse in den Geschirrspüler.
»Reuter und ich haben mit dem Schulleiter sowie einem Kollegen von Ariane gesprochen. Das war sehr aufschlussreich, während unsere Befragungen am Nachmittag den Fall nicht weitergebracht haben. Dafür konnten wir wahrscheinlich den Verkehrsunfall auf der Straße nach Sehestedt aufklären.«
Esther hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, ihre Mutter mit unverfänglichen Informationen aus dem Dienst zu versorgen. So entstand ein Gefühl des gemeinsamen Austausches, was sie für sehr wichtig hielt. Ihre Mutter beglückwünschte Esther zum Erfolg bei der Aufklärung des Unfalles, um dann über ihren Tag zu berichten. Automatisch teilten Mutter und Tochter sich die Arbeit fürs Abendbrot. Als ihre Mutter aus dem Kühlschrank die Tomaten entnehmen wollte, entdeckte sie die Flasche Williams.
»Hast du die eingekauft?«
Eigentlich war es eine völlig überflüssige Frage, aber Esther beantwortete sie ernsthaft.
»Ja, Mama. Ich denke, wir können nach dem Abendbrot ein Glas vertragen. Meinst du nicht?«
Sie schaute zur Mutter, die in Gedanken verloren die Flasche anstarrte. Die Zeit verstrich und Esther wollte ihre Frage schon wiederholen, als ihre Mutter mit einem erkennbaren Ruck die Erinnerungen beendete.
»Warum nicht. Der Schnaps ist schließlich nicht Schuld am Tod deines Vaters.«
Damit verbuchte Esther bereits einen zweiten Erfolg an diesem Abend, wie sie erleichtert feststellte. Die Aussichten auf einen entspannten Abend stiegen weiter an. Nach dem gemeinsamen Abendbrot holte Esther die Flasche Schnaps und füllte zwei Gläser voll. Mutter und Tochter prosteten sich zu und tranken entspannt das Glas leer. Anschließend räumten sie zusammen das verschmutzte Geschirr in die Spülmaschine. Das Gespräch zwischen ihnen stockte zwar immer wieder, aber das waren keine bedrohlichen Pausen. Im Fernsehen lief ein alter Tatort auf einem der dritten Programme, den Mutter und Tochter sich ansahen. Esther beschwerte sich nicht über die ständigen Kommentare ihrer Mutter, murmelte stattdessen gelegentlich selbst einen Kommentar. So verstrich der Abend in ungewohnter Harmonie und Esther musste über die Ansichten von Juliane nachdenken. Irrte die Psychologin sich vielleicht in Hinsicht auf das Zusammenleben mit der Mutter? Vielleicht erwuchs daraus ja eine Art Mutter-Tochter-Wohngemeinschaft. Mit diesem positiven Gedanken sank Esther ins Laken und schlummerte zufrieden ein.
KAPITEL 13
Der folgende Tag verlief zunächst sehr hektisch für Esther, da sie zusammen mit dem Hauptkommissar die aktenkundigen Straftäter aufsuchte. Doch beide Männer verfügten über erstklassige Alibis und keiner der beiden Kriminalbeamten sah auch nur den Hauch eines Hinweises auf ihre Tatbeteiligung. Anschließend teilten Esther und Frank sich die Erstellung der Protokolle, womit der langweilige Teil der Arbeit begann. Ariane Wiese war in die Justizvollzugsanstalt nach Neumünster verlegt worden, da es dort eine Krankenstation gab. Der behandelnde Arzt der Station sah zurzeit keine Möglichkeit, die Verdächtige zu verhören. Auch der beschädigte Golf war zur KTU nach Neumünster gebracht worden, um dort genauestens untersucht zu werden. Doch weder Frank noch Esther zweifelten ernsthaft daran, dass der Anschlag auf Landau nicht mit Arianes Golf ausgeübt worden war. Was weiterhin fehlte war das Motiv.
»Ohne ein glaubwürdiges Motiv bleibt Ariane für mich unschuldig!«, stellte Juliane entschieden fest.
Esther sah zur rothaarigen Psychologin hinüber, die am Besprechungstisch im Büro von Scholz
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