Offensive Minotaurus
Nikolai dem zweifellos Geschwächten ei ne Wodkaflasche zuwarf. Imorgin trank genußvoll. Als er absetzte, fehlten wenigstens zweihundert Kubikzentimeter.
Anschließend streckte sich Imorgin bequem aus und begann zu schnarchen. Als ich mich auf seinen Bewußtseinsinhalt einstellte, erhaschte ich einen Gedanken, der sich mit mir beschäftigte. Imorgin überlegte sich kurz vor dem Einschlafen, was für ein Doktor ich wohl sei. Dann dachte er noch daran, mir aus seinen schönsten Zobelbälgen einen warmen Mantel zu fertigen.
Ehe er endgültig ins Reich der Träume sank, rüttelte ich ihn wach.
»He, Opa, Sie müssen munter bleiben. Wo wohnen Sie eigentlich? Sie haben doch bestimmt eine Hütte, oder?«
Er schüttelte die Müdigkeit rasch von sich ab. Ich traute meinen Augen nicht. Fedor richtete sich auf, fuhr sich mit dem Handrücken über den Bart und dann mit den Fingern durch das filzige Haar.
»Es wird bald blasen. Wie schnell läuft Ihre Karre?«
»Karre?« lachte Ludinow. »Alter, das ist ein moderner Atomtrecker, der meinen Freund täglich zweihundert Rubel Miete kostet. Eh – da fällt mir etwas ein! Wo hast du eigentlich dein Funkgerät?«
Imorgin entblößte sein Handgelenk.
»Phantastisch«, staunte Ludinow. »Seit wann beschäftigen sich sibirische Jäger mit solchen Sachen? Woher hast du es?«
Imorgins asketisches Gesicht mit den grauen Augen verschloß sich. Seine Hakennase stach dadurch noch spitzer aus dem Vollbart hervor.
»Von meinem Bruder, Towarischtsch Major. Er ist ein berühmter Techniker.«
»Na und? Was dachte er sich dabei, als er dir das Gerät gab?«
»Er wollte sich hier erholen, aber dabei wollte er allein sein. Er sagte, ich soll den Apparat immer auf Empfang stehen lassen.«
Ich gab Ludinow einen Wink. Der Bewußtseinsinhalt des Alten wurde interessant. Er dachte an den Irren. Die Bilder, die in Fedors Geist abliefen, empfing ich deutlich.
Stana war mit einem Motorschlitten angekommen. Sein Besuch hatte Fedor überrascht. Stana war nervös gewesen. Warum, das wußte der Trapper nicht.
Drei Tage später hatte er einen Notruf empfangen. Er war hingeeilt und hatte seinen Bruder im Wald gefunden. Stana hatte getobt. Fedor war gezwungen gewesen, ihn mit einem Schlag gegen das Kinn zu betäuben. Anschließend hatte er ihn mit dem Motorschlitten nach Olekminssk gebracht. Während der Fahrt mußte er den Irren fesseln.
Für mich waren die Informationen wichtig. Am wertvollsten war die Erkenntnis, daß der Astrostatiker anscheinend in Furcht gelebt hatte. Fast sah es so aus, als wäre er auf der Flucht gewesen. Seine unangemeldete Ankunft und die Tatsache, daß er seinem Bruder ein Sprechfunkgerät gegeben hatte, ließen Schlußfolgerungen zu.
Ludinow lenkte den Traktorzug in halsbrecherischer Fahrt in die Ebene hinunter. Imorgins Hütte lag etwa vierzehn Kilometer entfernt. Wir folgten wieder einem zugefrorenen Flußlauf. Unterwegs kam der zweiundsiebzigjährige Trapper auf die Idee, seine hier aufgestellten Marderfallen kontrollieren zu wollen. Während der halbstündigen Fahrt aß er noch den Inhalt von drei Fleischkonserven. Weitere Injektionen lehnte er ab.
Kurz vor Ausbruch des Sturmes erreichten wir Imorgins Behausung. Sie stand am Steilufer eines kleinen Flusses. Hinter der Lichtung begann der sibirische Urwald. Das Gelände war hügelig und unübersichtlich. Weiter nördlich zeichneten sich verschneite Höhenzüge ab.
Wir stellten den Traktor neben der geräumigen Blockhütte ab. Sie war aus sauber behauenen Stämmen gefertigt und besaß einen betongefugten Kamin aus Natursteinen. Im Sommer mußte es hier herrlich sein. Ich machte eine Bemerkung darüber,
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