Ohne Abkommen (Die Ratte des Warlords III) (German Edition)
anschließend nüchtern handeln konnte.
Nachdem Kepler sich dreißig Meter vom Lager entfernt hatte, lief er los. Er lief ohne sich aufzuwärmen, verbissen und viel zu schnell, bald bekam er kaum noch Luft. Aber er zwang sich weiter zu laufen, immer weiter, bis der Schmerz in seinen Lungen so stark wurde, dass er den anderen überblendete. Kepler biss die Zähne zusammen und lief weiter. Nach zwei Kilometern normalisierte seine Atmung sich wieder und er konnte klarer denken. Er fragte sich, was ihn so mitgenommen hatte, was dieses längst vergessene Gefühl war, das an ihm zerrte.
Zu helfen, das hatte ihn irgendwie glauben lassen, dass er mehr war, als nur ein Killer. Vielleicht hatte er der Schwester der misshandelten Marokkanerin geholfen, vielleicht auch dem kleinen Mädchen mit der unheilbaren Krankheit.
Und das hatte fast alles Dunkle in ihm ausgeblendet und er hatte sich gefühlt, als ob er ein richtiger Mensch, sogar ein guter wäre.
Möglicherweise hatte er diese Empfindung auch bitter nötig. Nur hatte er sich an sie geklammert, anstatt sich daran zu erinnern, dass etwas Gutes zu tun nicht gleichbedeutend mit einem guten Wesen war. Seines war es nicht. Er hatte jedoch versucht, das zu verdrängen. Aber die Wahrheit ließ sich nicht leugnen.
Kepler lief langsamer. Der Schmerz war seine eigene Schuld. Er brauchte nur mit dem Lügen aufzuhören. Was auch immer er verbrochen hatte, er war immer ehrlich gewesen, zumindest sich selbst gegenüber. Er musste es nur wieder we rden. Und aufhören, sich einzubilden, etwas wert zu sein. Er war es nie gewesen.
E r lächelte in sich hinein. Dann schaltete er den Schmerz einfach aus.
Aber dann war das Gefühl, das er besiegt zu haben glaubte, wieder da, Kepler fühlte sich immer noch nicht frei. Anscheinend hatte er immer noch die Angst, etwas Wertvolles zu verlieren. Erstaunt überlegte er, was es sein könnte. Er musste diese Furcht unbedingt loswerden. Denn frei zu sein war das einzige, was zählte. Das, und sich selbst nicht zu verraten.
Vor Südafrika war er frei gewesen, z umindest nachdem Sarah, Jens und Robert nach Amerika gegangen waren. Das Scheitern seiner Beziehungen hatte er mit kleinen Anstrengungen verkraftet, das konnte er. So hatte er schon oft Menschen losgelassen, entweder weil er sie verlor, oder weil er Angst davor hatte, sie zu verlieren. Was war denn jetzt noch?
Sein Leben war ihm mehr oder weniger egal.
Er glaubte an die Liebe, aber nicht für sich persönlich.
Seine n Glauben hatte Sudan ihm genommen, zusammen mit der Liebe.
Er hatte ein Ziel in seinem Leben. Er wollte helfen, so wie Oma und Sarah ihm geholfen hatten. Dafür hatte er an einem heißen Nachmittag in einem sudanesischen Dorf ein Dragunov-Scharfschützengewehr in die Hände genommen, um für einen General zu töten. Auf diese Weise für seine Überzeugung einzustehen war böse, darüber machte Kepler sich überhaupt keine Illusionen, aber er konnte damit gut leben, weil es letztendlich wirkungsvoll war. Weil es einigen Menschen die Möglichkeit gegeben hatte zu überleben. Und diese Menschen hatten einen richtigen Sinn in ihrem Leben.
So wie jene Menschen, die den fehlenden Teil seiner verkrüppelten Seele ausgefüllt hatten. Für sie hätte Kepler sein Leben gegeben. Stattdessen hatte er sie alle verloren. Seine Familie, seine Kameraden, Katrin, die Galemas. Alle.
A ußer Budi.
Kepler blieb stehen.
Wegen der Dinge, die vor einigen Monaten passiert waren, kam er sich wie eine Waffe vor, die ihre Lage im Augenblick des Schusses veränderte. Dann kam die Kugel ab und traf nicht den anvisierten Haltepunkt. Und trotzdem hielt Budi bedingungslos zu ihm. Nur deswegen gab Kepler nicht auf und hatte noch die Hoffnung, sein Leben so zu führen wie er es stets mit einer Waffe zu tun vermochte. Dank Budi glaubte er wieder an sich selbst. So, wie vor einem Schuss.
We il er wusste, dass er genau im Haltepunkt treffen würde – ohne Abkommen.
Und s ein Schmerz resultierte daraus, dass er noch etwas verleugnet hatte. Jemanden – den Menschen, dem er mehr vertraute als sich selbst.
Budi ersetzte seinen Bruder, Oma, Sarah und das Kind, das er niemals haben würde, er füllte die Leere aus, die Katrin hinterlassen hatte, und er gab ihm Kraft. Budi war wirklich alles was er hatte, alles was er wollte, alles was er brauchte. Das wollte er nicht verlieren. Deswegen war er nicht mehr frei.
Aber dafür – hatte er einen Freund.
Kepler atmete durch und akzeptierte es.
Jetzt war er
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