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Ohne dich kein Sommer - Roman

Ohne dich kein Sommer - Roman

Titel: Ohne dich kein Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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Bluse zu einem kurzen schwarzen Rock. Außerdem trug sie ein Stirnband, ein schwarzes, im Ernst.
    Sie sah mich zuerst. »Hey«, sagte sie.
    Conrad blickte auf und sah mich in der Tür stehen, mit einem Teller voll Käse und Cracker. Er setzte sich auf. »Soll das für uns sein?«, fragte er, ohne mich wirklich anzuschauen.
    »Meine Mutter schickt das.« Meine Stimme war nur ein heiseres Murmeln. Ich ging zum Tisch und stellte den Teller ab. Anschließend stand ich da, unsicher, was ich tun sollte.
    »Danke«, sagte das Mädchen, doch so, wie sie es sagte, klang es mehr nach Du kannst jetzt gehen . Nicht irgendwie gemein, aber es war unüberhörbar, dass ich störte.
    Ich ging langsam aus dem Zimmer, aber sobald ich die Treppe erreicht hatte, fing ich an zu rennen. Als ich im Wohnzimmer an all den Leuten vorbeirannte, hörte ich, dass Conrad hinter mir herkam.
    »Warte doch mal«, rief er.
    Fast hatte ich es durch die Eingangshalle geschafft, als er mich einholte und am Arm packte.
    Ich schüttelte ihn ab.»Was willst du? Lass mich!«
    »Das war Aubrey«, sagte er, während er meinen Arm losließ.
    Aubrey – das Mädchen, das ihm das Herz gebrochen hatte. Ich hatte sie mir ganz anders vorgestellt. Blond. Und nicht so hübsch. Dieses Mädchen war so schön, niemals konnte ich es mit so einer aufnehmen.
    »Tut mir leid, wenn ich bei eurem Schäferstündchen gestört habe«, sagte ich.
    »Werd doch endlich mal erwachsen!«, fuhr er mich an.
    Es gibt Momente im Leben, in denen man sich von ganzem Herzen wünscht, man könnte seine Worte zurücknehmen. Einfach ausradieren. Wenn man könnte, würde man sogar sich selbst ausradieren, die eigene Existenz einfach auslöschen, bloß damit es diesen Moment nie gegeben hätte.
    Was dann geschah, gehörte zu diesen Momenten:
    Am Tag, an dem seine Mutter beerdigt worden war, sagte ich zu dem Jungen, den ich mehr liebte als alles und alle auf der Welt: »Geh doch zum Teufel.«
    Das war das Schlimmste, was ich je zu einem Menschen gesagt hatte, selbst wenn ich diese Worte vielleicht auch zuvor schon ausgesprochen hatte. Nie werde ich den Ausdruck in Conrads Gesicht vergessen. Am liebsten wäre ich gestorben, als ich ihn ansah. Sein Blick bestätigte alles Schlechte, was ich je über mich selbst gedacht hatte, all die Eigenschaften, von denen man inständig hofft, dass bitte, bitte nie jemand sie entdeckt. Denn wenn andere davon wüssten, dann würden sie auch wissen, wie du wirklich bist, und dich verachten.
    »Ich hätte mir denken können, dass du so bist«, sagte Conrad.
    Jämmerlich fragte ich: »Wie meinst du das?«
    Er zuckte nur mit den Schultern. Sein Gesicht war angespannt. »Vergiss es.«
    »Nein, sag’s.«
    Er wandte sich ab, um zu gehen, doch ich stellte mich ihm in den Weg. »Sag schon.« Meine Stimme war jetzt deutlich lauter.
    Er sah mich an. »Ich wusste, dass es keine gute Idee war, mit dir etwas anzufangen. Du bist noch ein Kind. Es war ein gewaltiger Fehler.«
    »Das glaub ich dir nicht«, sagte ich.
    Inzwischen starrten die Ersten zu uns herüber. Meine Mutter hatte im Wohnzimmer mit Leuten geredet, die ich nicht kannte. Als sie mich hörte, blickte sie auf. Mein Gesicht brannte, ich wagte es nicht, sie anzusehen.
    Das einzig Richtige wäre es gewesen, einfach wegzugehen, das wusste ich. Das war es, was ich in diesem Moment hätte tun sollen. Mir war, als schwebte ich über mir selbst, als könnte ich mich und all diese Leute von oben sehen. Aber als Conrad sich nur wieder achselzuckend abwandte und gehen wollte, wurde ich so wütend. Ich fühlte mich so – klein. Ich wollte mich selbst bremsen, aber ich schaffte es einfach nicht.
    »Ich hasse dich«, sagte ich.
    Conrad drehte sich um und nickte, so als hätte er genau das von mir erwartet. »Gut«, sagte er. Er sah mich mit einem mitleidigen Blick an, der zu sagen schien, dass er genug hatte, dass die Sache für ihn ein für alle Mal erledigt war. Ich fühlte mich so elend.
    »Ich will dich nie wieder sehen«, sagte ich. Dann drängte ich mich an ihm vorbei und rannte die Treppe so schnell hoch, dass ich auf der letzten Stufe stolperte und mit aller Wucht mit einem Knie aufprallte. Mir kam es vor, als hätte ich jemanden erschrocken nach Luft schnappen hören. Ich war wie blind vor Tränen, aber ich rappelte mich hoch und stolperte ins Gästezimmer.
    Ich nahm die Brille ab, warf mich aufs Bett und weinte.
    Nicht Conrad hasste ich, sondern mich selbst.
    Nach einer Weile kam mein Vater hoch. Er klopfte mehrmals,

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