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Ohne dich kein Sommer - Roman

Ohne dich kein Sommer - Roman

Titel: Ohne dich kein Sommer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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Ort und parkte an der alten Baptistenkirche.
    Überall sah man Kinder in Badeanzügen oder Shorts, Erwachsene in Chinos, Hunde ohne Leine. Für die meisten Besucher war es vermutlich das erste Wochenende nach Ferienbeginn. Dieses spezielle Gefühl lag in der Luft. Ich musste schmunzeln, als ich einen Jungen sah, der mit laut klatschenden Flipflops hinter zwei etwas älteren Mädchen herrannte. »Wartet doch mal!«, brüllte er, doch sie liefen nur noch schneller und sahen sich nicht einmal um.
    Als Erstes ging ich in das kleine Kaufhaus. Hier hatte ich immer Stunden verbracht und hin und her überlegt, welche Bonbons ich nehmen sollte. Jede Entscheidung schien lebenswichtig. Wenn die Jungs mitkamen, rafften sie einfach irgendwas zusammen, wie es gerade kam, hier eine Handvoll, da eine Handvoll. Ich selbst wählte sorgsam aus: zehn Stück schwedisches Weingummi in Fischform, fünf Malzkugeln, eine kleine Schaufel Jelly Bellys Birnengeschmack. In Erinnerung an die guten alten Zeiten füllte ich auch dieses Mal eine Tüte ab. Erdnuss- M&M s für Jeremiah, Minischokoriegel für Conrad und Zitronenbonbons für Steven, auch wenn er gar nicht da war. Ein Bonbon-Gedenktag, ein Tribut an das Cousins unserer Kindheit, als der Ausflug in die Stadt zum Süßigkeitenkaufen das wichtigste und beste Ereignis des Tages war.
    Ich stand schon an der Kasse an, als auf einmal hinter mir jemand sagte: »Belly?«
    Ich drehte mich um. Es war Maureen O’Riley, die Inhaberin von Maureen’s Millinery, dem eleganten Hutgeschäft im Ort. Maureen war älter als meine Eltern, Ende fünfzig, aber sie kannte meine Mutter und Susannah gut. Sie war eine begeisterte Modistin.
    Als wir uns umarmten, stellte ich fest, dass sie immer noch diesen unverwechselbaren Geruch hatte – den Duft ihrer ganz speziellen Seife.
    »Wie geht es deiner Mutter? Und Susannah?«, fragte sie mich.
    »Meiner Mutter geht es gut«, sagte ich. Gerade ging es an der Kasse weiter, und die Schlange rückte ein Stück vor, sodass ich etwas Abstand zu Maureen gewann. Doch gleich schloss sie auf. »Und Susannah?«
    Ich räusperte mich. »Der Krebs ist wiedergekommen, und sie ist gestorben.«
    Maureen machte ein erschrockenes Gesicht. »Davon wusste ich ja gar nichts. Das tut mir so leid, ich habe sie immer sehr gern gemocht. Wann ist das passiert?«
    »Anfang Mai«, sagte ich. Gleich war ich an der Reihe, dann würde ich endlich gehen können und müsste mich nicht länger unterhalten.
    Maureen griff nach meiner Hand, und in einem ersten Impuls hätte ich sie fast weggezogen, auch wenn ich Maureen immer gemocht hatte. Es gefiel mir nur nicht, so im Laden zu stehen und über Susannah zu reden, als ginge es um irgendwelchen Klatsch und Tratsch. Dabei ging es doch um Susannah.
    Sie musste es gespürt haben, denn sie ließ meine Hand los. »Ich wünschte, ich hätte davon gewusst. Bitte richte den Jungen und auch deiner Mutter mein herzliches Beileid aus. Und – Belly: Besuch mich irgendwann in meinem Geschäft, dann nehmen wir Maß. Es wird langsam Zeit für deinen ersten Hut, einen mit Bändern.«
    »Ich hatte wirklich noch nie einen«, sagte ich und kramte nach meinem Portemonnaie.
    »Dann wird es Zeit«, sagte Maureen noch einmal. »Ich möchte dir gern einen schenken, einen, der dich so richtig zur Geltung bringt. Komm vorbei, ich kümmere mich persönlich um dich.«
    Ich bummelte noch eine Weile durch den Ort, schaute kurz in die Buchhandlung, sah mich im Surf-Shop um. Ich lief ziellos umher, griff gelegentlich in die Tasche und naschte von den Süßigkeiten. Einerseits hatte ich keine Lust, weiteren Bekannten über den Weg zu laufen, andererseits hatte ich es auch nicht eilig, zum Sommerhaus zurückzukehren. Dass Conrad mich nicht dahaben wollte, war unübersehbar. Machte ich alles vielleicht nur noch schlimmer? Wie er mich angeschaut hatte! Ihn wiederzusehen, wieder in diesem Haus zu sein, war schwerer, als ich es mir vorgestellt hatte. Tausendmal schwerer.
    Als ich zurückkam, mit einer großen Tüte voller Muschelbrötchen, saßen Jeremiah und Conrad auf der Veranda hinterm Haus und tranken Bier. Es war bereits Abend, es schien einen wunderbaren Sonnenuntergang zu geben.
    Ich warf Schlüssel und Tüte auf den Tisch und ließ mich in einen bequemen Sessel fallen. »Krieg ich auch eins?«, sagte ich. Nicht, dass ich gern Bier trank, gar nicht – ich wollte nur dazugehören, so wie sie selbst wieder ein bisschen zueinandergefunden hatten, indem sie hier draußen saßen und

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