Ohne dich kein Sommer - Roman
erledigen.«
»Was denn für eine Sache?« Es brachte ihn fast um, dass ich mehr wusste als er, dass ausnahmsweise einmal er am Rande stand. Ich hätte gedacht, es würde mich klammheimlich freuen, aber seltsamerweise tat er mir leid.
Also sagte ich: »Conrad ist einfach vom College abgehauen, und wir müssen ihn rechtzeitig zurückbringen, weil er Montag Nachprüfungen hat.«
Und das wäre dann das Letzte, was ich für ihn tun würde. Danach wäre er frei – und ich auch.
Nachdem wir aufgelegt hatten, hörte ich einen Wagen draußen vorfahren. Als ich aus dem Fenster sah, parkte ein roter Honda in der Einfahrt, den ich noch nie gesehen hatte. Es passierte so gut wie nie, dass wir im Sommerhaus Besuch bekamen.
Schnell fuhr ich mir mit dem Kamm durch die Haare und wickelte mich wieder in mein Handtuch. Ich wollte schon zur Tür rennen, stoppte aber am Fuß der Treppe, als ich sah, dass Conrad bereits öffnete und eine Frau hereintrat. Sie war klein und zierlich und hatte blond gefärbtes Haar, das im Nacken nachlässig zusammengesteckt war. Sie trug eine schwarze Hose und eine korallenfarbene Seidenbluse. Die Fingernägel waren dazu passend lackiert. In der Hand hielt sie einen großen Ordner sowie einen Schlüsselbund.
»Oh – hallo«, sagte sie. Sie schien überrascht, Conrad zu sehen, so als hätte sie jemand anderen erwartet.
»Guten Tag«, sagte Conrad. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Sie müssen Conrad sein«, sagte sie. »Wir haben telefoniert. Ich bin Sandy Donatti, die Maklerin Ihres Vaters.«
Conrad schwieg.
Sie drohte ihm spielerisch mit dem Finger. »Sie haben mir gesagt, Ihr Dad habe sich das mit dem Verkauf anders überlegt.«
Als Conrad noch immer schwieg, schaute sie sich um und entdeckte mich am Fuß der Treppe. Sie schien irritiert und sagte: »Ich wollte nur schnell nachsehen, ob hier auch alles seinen Gang geht, ob die Packer vorankommen.«
»Die Umzugsfirma hab ich weggeschickt«, sagte Conrad beiläufig.
»Das hätten Sie nicht tun sollen«, entgegnete sie verkniffen. Als Conrad nur mit den Achseln zuckte, fügte sie hinzu: »Man hat mir gesagt, das Haus sei leer.«
»Da hat man Sie falsch informiert. Ich werde den ganzen Sommer über hier sein.« Dann wies er auf mich. »Das ist Belly.«
»Belly?«, wiederholte sie.
»Jep. Meine Freundin.«
Ich schnappte nach Luft, es muss sich angehört haben, als würde ich gerade ersticken.
Conrad lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand. »Und wie haben Sie sich kennengelernt, mein Dad und Sie?«
Sandy Donatti wurde rot. »Wir haben uns kennengelernt, als er beschloss, das Haus zum Verkauf anzubieten«, zischte sie ihn an.
»Nun, Sandy, die Sache ist so: Er kann dieses Haus gar nicht verkaufen. Es gehört meiner Mutter. Hat mein Dad Ihnen das nicht gesagt?«
»Doch.«
»Dann nehme ich an, er hat Ihnen auch gesagt, dass sie tot ist.«
Sandy zögerte. Bei der Erwähnung einer toten Mutter schien ihr Ärger zu verpuffen. Sie fühlte sich offensichtlich unbehaglich und wich Schritt für Schritt zurück in Richtung Tür. »Ja, das hat er mir allerdings gesagt. Mein herzliches Beileid.«
»Vielen Dank, Sandy, gerade von Ihnen bedeutet mir das sehr viel«, sagte Conrad.
Sie ließ den Blick ein letztes Mal durchs Zimmer schweifen. »Nun, ich werde die Sache mit Ihrem Vater bereden, danach komme ich wieder her.«
»Tun Sie das. Und richten Sie ihm aus, dass das Haus nicht mehr zum Verkauf steht.«
Sie spitzte den Mund, schien etwas sagen zu wollen, besann sich dann aber eines Besseren. Conrad hielt ihr die Tür auf, und weg war sie.
Ich atmete tief aus. Zahllose Dinge gingen mir durch den Kopf – und auch wenn es mir peinlich ist, es zuzugeben, muss ich gestehen, dass das Wort Freundin ziemlich viel Platz einnahm. »Erzähl Jeremiah nichts von der Sache mit dem Haus«, sagte Conrad, ohne mich anzusehen.
»Wieso nicht?«
Es dauerte so lange, bis er antwortete, dass ich schon halb die Treppe hinauf war, als er sagte: »Ich werde mit ihm reden. Ich will nur nicht, dass er es jetzt schon erfährt. Das mit unserem Dad.«
Ich blieb stehen. Ohne nachzudenken, fragte ich: »Was meinst du denn?«
»Du weißt, was ich meine.« Conrad sah mich mit festem Blick an.
Vermutlich wusste ich es wirklich. Er wollte Jeremiah vor der Tatsache schützen, dass sein Vater ein Arschloch war. Aber es war ja nicht so, als wüsste Jeremiah das nicht längst. Er war ja kein ahnungsloser kleiner Junge. Und wenn das Haus zum Verkauf stand, dann hatte er
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