Ohne dich kein Sommer - Roman
für ein Wochenende im August, aber das war’s dann auch schon. Es kam mir gar nicht in den Sinn, mich zu fragen, warum das so war. Einmal kamen er und Mr. Fisher am selben Wochenende. Als hätten sie so viel gemeinsam, als wären sie Freunde oder so. Dabei hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Mr. Fisher redete ohne Ende, mein Dad sprach nur, wenn er etwas zu sagen hatte. Mr. Fisher schaute den lieben langen Tag über den Sportkanal, während mein Vater nur ganz selten überhaupt den Fernseher einschaltete, und wenn, dann ganz bestimmt keinen Sportsender.
An jenem Wochenende gingen die Eltern in ein schickes Restaurant in Dyerstown. Samstagabends spielte dort immer eine Band, und es gab auch eine kleine Tanzfläche. Ich hatte meine Eltern noch nie tanzen sehen, aber dass Susannah und Mr. Fisher dauernd miteinander tanzten, davon war ich überzeugt. Einmal hatte ich das sogar mit eigenen Augen gesehen, im Wohnzimmer. Conrad war rot geworden und hatte weggeschaut, das weiß ich noch.
Ich lag bäuchlings auf Susannahs Bett und sah zu, wie meine Mutter und Susannah sich im Elternbad ausgehfertig machten.
Meine Mutter hatte sich überreden lassen, eins von Susannahs Kleidern anzuziehen, ein rotes mit tiefem Ausschnitt. »Was meinst du, Beck?«, fragte meine Mutter unsicher. Ich merkte, sie fühlte sich fremd. Normalerweise trug sie immer Hosen.
»Ich finde, du siehst toll aus, Laure. Lass es an. Rot ist wirklich deine Farbe.« Susannah stand mit weit aufgerissenen Augen vor dem Spiegel und formte sich die Wimpern.
Später, als alle gegangen waren, habe ich die Wimpernzange ausprobiert. Meine Mutter besaß so etwas nicht. Den Inhalt ihres grünen Kosmetiktäschchens kannte ich auswendig. Es war eins von denen, die man bei Geschenksets gratis dazubekommt. Darin hatte sie einen billigen Pflegestift für trockene Lippen und einen braunen Eyeliner, Mascara aus dem Supermarkt in einem rosa-grünen Röhrchen und eine Tube getönter Sonnencreme. Langweilig.
Susannah hingegen besaß einen Kosmetikkoffer mit einem Bezug aus marineblauem Schlangenleder und einem schweren Goldverschluss, in den ihre Initialen eingraviert waren, und der war die reinste Schatzkiste. Susannah warf nie irgendetwas weg, jede Menge Tiegel, Paletten, Pinsel, Bürstchen und Parfümpröbchen bewahrte sie in diesem Köfferchen auf. Mir machte es immer großen Spaß, alles anzusehen und nach Farben neu zu ordnen. Manchmal schenkte Susannah mir einen Lippenstift oder eine Lidschattenprobe in dezenten Farbtönen.
»Belly, soll ich dir die Augen schminken?«, fragte Susannah.
Sofort setzte ich mich auf. »Au ja!«
»Aber bitte nicht wieder diese Nuttenaugen, Beck!«, sagte meine Mutter, die gerade ihre nassen Haare durchkämmte.
Susannah zog eine Grimasse. » Smoky Eyes heißt das, Laure.«
»Genau, Mom: Smoky Eyes .«
Susannah winkte mich zu sich. »Komm her, Belly.«
Ich flitzte ins Bad und hüpfte auf den Waschtisch. Ich saß gern da oben, ließ die Beine baumeln, lauschte den Gesprächen und fühlte mich wie eine von den Großen.
Susannah tauchte einen schmalen Pinsel in ein Töpfchen mit schwarzem Eyeliner. »Mach die Augen zu«, sagte sie.
Ich gehorchte, und Susannah zog mit dem Pinsel einen Strich am Wimpernrand entlang. Geschickt verwischte sie die Farbe mit dem Daumenballen. Ich zappelte aufgeregt herum. Ich liebte es, wenn Susannah mich schminkte, und konnte es kaum erwarten, mich im Spiegel anzusehen.
»Tanzt du heute Abend mit Mr. Fisher?«, fragte ich.
Susannah lachte. »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
»Mom, tanzt ihr auch, Dad und du?«
Meine Mutter lachte ebenfalls. »Ich weiß nicht. Eher nicht. Dein Vater tanzt nicht gerne.«
»Dad ist langweilig«, sagte ich, während ich mir den Hals verrenkte, um schon mal einen kurzen Blick auf meinen neuen Look zu erspähen. Sanft legte Susannah mir die Hände auf die Schultern und drehte mich wieder zu sich um.
»Er ist gar nicht langweilig«, sagte meine Mutter. »Er hat einfach andere Interessen. Es macht dir doch Spaß, wenn er dir die Sternbilder erklärt, oder?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ja.«
»Und er hat große Geduld mit dir und hört sich immer deine Geschichten an.«
»Stimmt, aber was hat das damit zu tun, ob er langweilig ist oder nicht?«
»Vermutlich nicht viel. Aber es hat damit zu tun, ob er ein guter Vater ist – und ich finde, das ist er.«
»Eindeutig«, stimmte Susannah ihr zu, und die beiden Frauen tauschten über meinen Kopf hinweg Blicke.
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