Ohne Gnade
Manton für schwere Fälle in Reserve hat.«
Nick starrte das Mädchen an.
»Sie haben Ihnen also zwanzig Pfund gegeben. Wofür?«
»Ich mußte Mr. Garvald eine Tasse Tee bringen. Jango tat etwas hinein. Irgendein Mittel, bei dem man schnell bewußtlos wird, nehme ich an. Ich glaube, sie hatten Angst vor ihm.«
»Und es hat funktioniert?«
Sie nickte.
»Sie brachten ihn mit einem Auto fort. Wohin, weiß ich nicht.«
Nick sah Lazer an. Der Amerikaner hob die Schultern.
»Vielleicht ins ›Flamingo‹?«
»Das halte ich nicht für wahrscheinlich«, meinte Nick. »Aber versuchen können wir es.«
Sie gingen zur Tür. Das Mädchen lief ihnen nach und hielt Nick am Ärmel fest.
»Ich hab' es ja nicht bös gemeint. Sie sagten, sie seien Freunde von ihm und wollten ihm nur einen Streich spielen.«
»Sie halten mich wohl für dämlich, was?« Nick legte den Kopf auf die Seite und starrte sie an. »Sie haben zwanzig Pfund. Gegen sechs geht ein Zug nach Liverpool, mit Anschluß an den Dampfer. Den würde ich nehmen.«
Er drehte sich um und ließ sie stehen. Sie schaute eine Weile verwirrt vor sich hin, dann kniete sie nieder und begann die Geldscheine zusammenzuraffen.
Vor dem ›Flamingo-Club‹ herrschte reges Treiben. Zahlreiche Gäste verließen das Lokal und fuhren in ihren Autos davon. Nick stand in einem Eingang gegenüber seinem Wagen, rauchte eine Zigarette und wartete auf Chuck Lazers Rückkehr.
Die Sache verdichtete sich immer mehr, soviel stand fest, aber die Beweggründe waren immer noch undurchsichtig. Wer es auch sein mochte, der es darauf anlegte, Ben Garvald aus dem Weg zu räumen, er mußte gewichtige Gründe haben.
Der Amerikaner kam um die Ecke und trat zu ihm in den Eingang.
»Keine Spur von den beiden. Manton ist auch nicht da.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut. Ich bin sogar hinaufgegangen und habe seine Wohnung durchsucht. Herausgekommen bin ich durch den Nebenausgang.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht liegt er schon im Fluß – Ben, meine ich.«
»Könnten sie ihn nicht irgendwo anders hingebracht haben? In ein abgelegenes Haus oder so?«
Lazer zog die Brauen zusammen und dachte angestrengt nach. Plötzlich hellte sich seine Miene auf.
»Warum ist mir das nicht gleich eingefallen? In der Nähe von Ryescroft, am Stadtrand, steht eine alte georgianische Villa. ›The Grange‹ nennt man sie. Ein ziemlich großer Park gehört dazu.«
»Mantons Eigentum?«
Lazer schüttelte den Kopf.
»Eine von Faulkners Erwerbungen. Er will einen vornehmen Landklub daraus machen, aber Manton führt draußen das Kommando. Zur Zeit wohnt aber nur ein Hausmeister dort. Ein unheimlicher alter Mann, der ›Bluey‹ Squires genannt wird. Früher Portier im ›Flamingo‹, bis er sich ein Bein brach.«
Ryescroft. Etwa eine Meile außerhalb des Stadtgebiets, strenggenommen also schon im Arbeitsbereich der Landpolizei. Nick überlegte eine Weile und traf seine Entscheidung. »Fahren wir«, sagte er und hastete zu seinem Wagen.
18
›The Grange‹ gehörte zu den schloßartigen Gebäuden, die zur Regierungszeit Georgs IV. von reichen Exzentrikern aus grauem Yorkshire-Stein erbaut worden waren. Riesige Kamine ragten aus dem Steildach in den Himmel, und der Park war von einer über drei Meter hohen Mauer umgeben.
Nick parkte auf einem schmalen Weg, dreißig oder vierzig Meter vom Haupttor entfernt, öffnete die Tür und stieg aus.
»Sieht aus wie eine mißlungene Filmkulisse.«
Lazer setzte sich ans Steuer und grinste.
»Wünschen Sie mir Glück, General. Vielleicht bekomme ich einen Orden oder sonstwas.«
»Riskieren Sie nichts«, mahnte Nick. »Wenn Manton wirklich da ist, wissen Sie ja, was Sie sagen müssen. Ich warte hier auf Sie.«
Der Amerikaner schlug die Tür zu und fuhr davon. Das schmiedeeiserne Tor stand offen. Er fuhr zwischen den hohen Pappeln die Auffahrt zu dem dunklen, weitläufigen Gebäude entlang. Nirgends war Licht zu sehen. Er bog auf einen schmaleren Weg ein, der um das Haus herum zu einem gepflasterten Hof führte.
Aus einem Rückfenster strömte Licht. Lazer erkannte Mantons Jaguar und stellte den Motor ab. Als das Brummen verklang, begann im Haus ein Hund hohl und drohend zu bellen. Lazer schauderte unwillkürlich.
Als er aus dem Mini-Cooper stieg, öffnete sich eine Tür. Der Lichtschein erfaßte ihn.
»Wer ist da?« rief eine heisere Stimme.
»Chuck Lazer, Bluey«, erwiderte der Amerikaner.
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