Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Schweden wäre nichts Ernstes passiert. Ich habe dir gleich am Anfang gesagt, dass es um ein Verbrechen geht. Es gab ein Opfer. Es gab viele Opfer. Du willst mehr wissen? Ja, Mia ist tot. Ein junges Mädchen, das mir ans Herz gewachsen ist, ist gestorben. Sie ist tot.
Jetzt frag dich selbst. Habe ich je an wilde Theorien geglaubt? Habe ich in den Nachrichten nach Verschwörungen gesucht? Habe ich irgendwann gegen jemanden falsche Anschuldigungen gemacht? Mir läuft die Zeit davon. Ich muss noch heute zur Polizei gehen. Wenn ich allein ein Polizeirevier betrete, rufen die Polizisten Chris an. Er wird ihnen erzählen, ich sei krank, und er wird seine Sache gut machen. Mit ziemlicher Sicherheit sind die Polizisten Männer, genau wie Chris. Sie werden ihm glauben. Das habe ich schon erlebt. Ich brauche einen Verbündeten an meiner Seite, möglichst jemanden aus meiner Familie, jemanden, der mich unterstützt, und da bleibst nur du. Es tut mir leid, dass ich dich damit belasten muss.
Du hast mich direkt gefragt. Ich habe geantwortet. Jetzt frage ich dich direkt. Ist das zu viel für dich? Denn wenn du nur Zeit schinden willst, bis dein Vater kommt, wenn du mich einfach reden lässt, ohne zuzuhören, und mich hier unter falschen Voraussetzungen festhältst, damit ihr mich zusammen in eine Anstalt stecken könnt, dann warne ich dich. Das wäre für mich ein so schwerer Verrat, dass sich unsere Beziehung nie davon erholen würde. Du wärst nicht mehr mein Sohn.
E S HATTE SCHON DIE GANZE ZEIT im Raum gestanden, dass unsere Beziehung leiden würde, wenn ich ihr nicht glaubte. Meine Mum sah das Ganze noch extremer. Um ihr Sohn zu sein, musste ich ihr glauben. Wäre die Situation nicht so außergewöhnlich gewesen, hätte ihre Drohung übertrieben gewirkt. Aber so etwas hatte meine Mum noch nie gesagt. Gerade, dass es so ungewohnt war, machte es für mich real. Ich hatte mir noch nie vorgestellt, meine Mum könnte mich nicht lieben. Ich dachte daran, wie sie als Kind ihre Familie verlassen hatte, ohne einen Brief oder einen Anruf war sie spurlos verschwunden. Sie hatte schon früher feste Bande zerrissen. Sie konnte es wieder tun. Allerdings widersprach sie direkt ihrer Anweisung, ich solle mich nicht von Gefühlen beeinflussen lassen. Jetzt brachte sie unsere Beziehung ins Spiel. Ich konnte meiner Mum nicht versprechen, dass ich ihr glauben würde, nur um sie zu beruhigen.
»Du hast mich gebeten, objektiv zu sein.«
Rasch fügte ich hinzu:
»Mein Versprechen von vorhin kann ich wiederholen: Ich bleibe unvoreingenommen. Jetzt im Moment, wo ich hier sitze, weiß ich nicht, was wahr ist. Aber Mum, ich weiß, egal was in den nächsten Stunden passiert, egal, was du mir erzählst, ich werde immer dein Sohn sein. Und ich werde dich immer lieb haben.«
Die Feindseligkeit fiel von meiner Mutter ab. Ich wusste nicht, ob sie von meinen Beteuerungen gerührt war oder merkte, dass sie einen taktischen Fehler begangen hatte. Enttäuscht von sich griff sie meine Formulierung auf:
»Unvoreingenommenheit, mehr will ich gar nicht.«
Nicht ganz, dachte ich bei mir, als sie sich wieder ihrem Tagebuch zuwandte.
Vorhin haben wir über die frühere Besitzerin gesprochen, Cecilia, die ältere Dame, und über das Rätsel, warum sie uns den Hof verkauft hat. Das Rätsel geht noch weiter. Sie hat ein Boot dagelassen, das an den hölzernen Ponton gebunden war, ein teures Ruderboot mit einem Elektromotor. Beide waren neu. Überleg mal, warum die gebrechliche Cecilia so viel Geld für ein Boot ausgeben sollte, wenn sie den Hof verkaufen und in die Stadt ziehen wollte.
Von vielen Dingen habe ich keine Ahnung. Bevor ich wieder nach Schweden gegangen bin, habe ich keine Sekunde lang über Bootsmotoren nachgedacht. Als mir klar wurde, dass das Boot ein entscheidender Hinweis war, habe ich mich darüber schlaugemacht. Die erste Erleuchtung war, dass Ruderboote ohne Zubehör verkauft werden – für einen Motor muss man extra zahlen. Und die zweite, dass Cecilia mit dem E-Thrust Elektromotor, wie er heißt, bei Weitem nicht das billigste Modell ausgesucht hat. Er liegt bei dreihundert Euro. Ich habe herausgefunden, dass man billigere Motoren kaufen kann, die auch zum Boot gepasst hätten. Die nächste Frage ist also, warum sie uns gerade diesen Elektromotor dagelassen hat.
Sieh dir bitte die technischen Daten des Motors an. In der Liste steht die Antwort – der Grund, warum sie diesen Motor genommen hat. Versuch ihn zu finden.
A us ihrem T agebuch
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