Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)
Unwetter auf. Es regnete in Strömen. Wir mussten schreien, damit wir uns hörten. Freja war bald so erschöpft, dass sie nicht weiterfahren konnte. Klatschnass zogen wir unsere Fahrräder von der Straße herunter. Im Wald tarnten wir sie mit Blättern und Zweigen. Ich baute uns einen Unterschlupf unter der Wurzel eines umgestürzten Baums. Wir aßen Zimtschnecken mit Zuckerglasur und tranken Johannisbeersaft. Das Essen, das ich für drei Tage gedacht hatte, war nach einer einzigen Mahlzeit fast aufgebraucht. Alle paar Minuten fragte ich Freja:
»Siehst du den Troll?«
Dann sah sie sich um und schüttelte den Kopf. Wir hatten uns in unseren Regenjacken vergraben, und obwohl wir nass und müde waren, waren wir auch glücklich. Ich wartete, bis Freja eingeschlafen war, bevor ich selbst die Augen schloss.
Als ich aufwachte, war Freja verschwunden, und im Wald war es dunkel. Ich rief ihren Namen. Es kam keine Antwort. Der Troll hatte Freja geholt. Ich fing an zu weinen. Dann bekam ich Angst, weil der Troll mich vielleicht auch holen würde. Ich rannte, so schnell ich konnte, bis ich vor dem großen See stand und es nicht weiter ging. Ich saß am Ufer fest und war ganz sicher, der Troll wäre nur ein paar Meter hinter mir. Ich zog meine Jacke aus und schwamm. Ich hatte noch keine Geschichte gelesen, in der ein Troll gern ins Wasser ging. Sie waren kompakte, schwere Wesen, und ich war für mein Alter eine gute Schwimmerin.
In dieser Nacht schwamm ich zu weit. Als ich endlich aufhörte, war ich so weit draußen wie nie zuvor. Die riesigen Kiefern am Seeufer waren so weit entfernt, dass sie wie Punkte aussahen. Wenigstens war ich allein. Im ersten Moment fand ich diesen Gedanken tröstlich. Der Troll war mir nicht gefolgt. Ich war in Sicherheit. Dann wurde ich traurig. Ich dachte daran, dass ich meine Freundin verloren hatte. Es gab Freja nicht mehr, und am Ufer würde ich immer noch allein sein. Meine Beine wurden schwer. Ich war so müde. Mein Kinn tauchte unter, dann meine Nase, meine Augen und schließlich mein ganzer Kopf. Ich ertrank. Ich hatte nicht beschlossen zu sterben. Aber ich hatte nicht mehr die Kraft zu schwimmen.
Ich versank im Wasser. Eigentlich hätte ich in dieser Nacht sterben müssen. Ich hatte Glück. Obwohl ich weit vom Ufer entfernt war, war das Wasser an dieser Stelle zufällig flach. Ich sammelte einen Moment auf dem schlickigen Boden des Sees Kraft, dann stieß ich mich nach oben ab, tauchte auf, holte Luft. Das machte ich immer wieder und kam mit jedem Mal dem Ufer ein wenig näher. Mit dieser seltsamen Methode schaffte ich es ans trockene Land, wo ich mich flach auf den Rücken legte und zu den Sternen hinaufsah.
Als ich mich etwas erholt hatte, lief ich durch den Wald. Irgendwann kam ich zur Straße, konnte aber die versteckten Fahrräder nicht finden. Tropfnass machte ich mich auf den Heimweg. Vor mir tauchten helle Autoscheinwerfer auf. Es war ein Bauer aus dem Ort. Er hatte mich gesucht. Meine Eltern suchten mich. Alle suchten mich, auch die Polizei.
Die Lüge
Als ich wieder auf dem Hof war, wiederholte ich ständig:
»Freja ist tot!«
Ich erzählte ihnen von dem Troll. Mir war egal, ob sie diese Geschichte für blühende Fantasie hielten. Freja war nicht mehr da. Damit hatten sie ihren Beweis. Ich hörte nicht auf, über den Troll zu reden, bis sie mich zu Frejas Hof fuhren. Mein Vater hatte endlich nachgegeben und wollte nachsehen. Er wusste nicht, wie er mich sonst beruhigen sollte. Er brachte mich zu ihnen. Freja war zu Hause. Sie trug einen Schlafanzug. Ihre Haare waren gekämmt. Sie war sauber. Sie war schön. Es war, als wäre sie nie weggelaufen. Ich bat Freja:
»Erzähl ihnen von dem Troll.«
Freja sagte:
»Es gibt keinen Troll. Ich bin überhaupt nicht weggelaufen. Und dieses Mädchen ist nicht meine Freundin.«
Sehr geehrte Herren Doktoren,
ich habe die ganze Nacht hindurch geschrieben; es ist mir nicht leichtgefallen, und ich bin erschöpft. Bald ist unser nächster Termin. Mir läuft die Zeit davon, und ich würde gerne etwas schlafen, bevor wir über diese Seiten sprechen, deshalb werde ich kurz zusammenfassen, was danach geschah.
Nach Frejas Lüge war ich viele Wochen lang krank. Den restlichen Sommer habe ich im Bett verbracht. Als ich mich endlich erholt hatte, erlaubten meine Eltern mir nicht mehr, den Hof allein zu verlassen. Meine Mum betete jeden Abend für mich. Sie kniete sich neben mein Bett und betete, manchmal eine ganze Stunde. In der Schule gingen
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