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Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition)

Titel: Ohne jeden Zweifel: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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wie meine Mum vorhergesagt hatte – diese Gedanken schossen mir sofort durch den Kopf, weil ich mich von Mums heftiger Reaktion anstecken ließ. Aber an diese Erklärung glaubte ich nicht. Mein Dad hatte keinen Schlüssel. Unten an der Tür konnte nur Mark sein.
    Als die Tasche gepackt war, wollte meine Mum sie sich umhängen. Ich legte eine Hand darauf, um sie aufzuhalten.
    »Das ist nicht Dad.«
    »Doch, das ist er!«
    »Nein, Mum, ist er nicht. Warte bitte hier.«
    Ich wurde schroff, weil mir die Nerven durchgingen, und bedeutete meiner Mum, sie solle bleiben, wo sie war, aber ich bezweifelte, dass sie auf mich hören würde. Ich lief nach unten und in den Flur. Mark mühte sich nicht mehr mit der Tür ab, sondern hielt sie mit dem Fuß auf und hatte schon das Handy in der Hand, um mich anzurufen. Ich hatte ihm nicht Bescheid gesagt und ganz vergessen, dass ich ihn anrufen wollte, so sehr war ich von der Geschichte meiner Mutter gefangen gewesen. Ich hätte mir denken können, dass er so reagiert – er hatte sich schon Sorgen gemacht, weil ich allein mit ihr war. Mit gedämpfter Stimme sagte ich:
    »Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, aber jetzt passt es wirklich schlecht.«
    So aggressiv hatte ich nicht klingen wollen. Mark war überrascht. Ich bekam Panik; nachdem meine sorgfältig geplante Täuschung jahrelang funktioniert hatte, drohte das ganze verrottete Konstrukt zusammenzubrechen, bevor ich sein Ende anständig vorbereiten konnte. Ich hatte es nicht mehr in der Hand. Ich scheuchte ihn zurück, schloss die Tür, nahm die Kette ab und öffnete richtig. Als Mark etwas sagen wollte, sah er über meine Schulter und stockte.
    Meine Mum stand am Ende des Flurs und klammerte ihre Umhängetasche an sich. In ihrer Jeanstasche konnte ich die Umrisse des Holzmessers erkennen. Wir standen reglos da, ohne etwas zu sagen. Schließlich kam Mum einen kleinen Schritt näher, musterte Marks teuren Anzug und die Schuhe und fragte:
    »Sind Sie Arzt?«
    Mark schüttelte den Kopf:
    »Nein.«
    Normalerweise war Mark höflich und aufgeknöpft, aber jetzt antwortete er einsilbig, weil er nicht wusste, was ich von ihm hören wollte.
    »Hat Chris Sie geschickt?«
    »Ich wohne hier.«
    Ich fügte hinzu:
    »Das ist Mark. Das ist seine Wohnung.«
    Zu spät wurde mir klar, wie dürftig das als Vorstellung klang, nachdem er jahrelang darauf gewartet hatte, meine Eltern kennenzulernen. Mit dieser Wortwahl hörte er sich an wie mein Vermieter, nicht wie mein Lebensgefährte. Nach seiner Kleidung musterte meine Mum sein Gesicht. Sie sagte:
    »Ich heiße Tilde. Ich bin Daniels Mum.«
    Mark wollte lächelnd auf sie zugehen, hielt sich aber zurück, er spürte, wie angespannt die Lage war.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Tilde.«
    Aus irgendeinem Grund gefiel meiner Mum nicht, wie er ihren Namen sagte. Sie wich leicht zurück. Sie unterdrückte ihre Nervosität und fragte:
    »Wäre es Ihnen lieber, wenn wir gehen?«
    »Sie können gerne bleiben, solange Sie möchten.«
    »Bleiben Sie auch?«
    Mark schüttelte den Kopf:
    »Nein, ich bin gleich wieder verschwunden.«
    Meine Mum starrte ihn an. Unter anderen Umständen wäre es unhöflich gewesen. Mark erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln. Meine Mum senkte den Blick und sagte:
    »Ich warte oben.«
    Bevor sie den Flur verließ, warf sie einen letzten Blick auf Mark und legte ganz leicht den Kopf schief, als würde sie ihr Weltbild zurechtrücken.
    Wir warteten stumm, während meine Mum langsam die Treppe hinaufging, und lauschten ihren schweren Schritten. Als wir allein waren, wandte ich mich zu Mark um. Das Treffen, vor dem ich mich so lange gefürchtet hatte, war auf eine Weise abgelaufen, wie ich es mir nie hätte vorstellen können – meine Mum hatte meinen Partner kennengelernt, aber nicht richtig, sie hatten sich nur gesehen und kannten ihre Namen. Ich hatte weiter getäuscht; weil ich »wir leben zusammen« nicht herausgebracht hatte, hatte ich gesagt »er wohnt hier«. Es war keine Lüge, aber genauso schwach wie eine Lüge. Mark war von der Begegnung enttäuscht – er hatte sich viel mehr davon erhofft. Er riss sich zusammen und fragte leise:
    »Wie geht es ihr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Es hätte nichts gebracht, unser bisheriges Gespräch zusammenzufassen. Er sagte:
    »Dan, ich musste einfach sehen, dass es dir gut geht.«
    Nüchtern fügte er hinzu:
    »Ich war nicht sicher, ob du damit klarkommst.«
    Er milderte sofort ab:
    »Es wäre für jeden viel zu

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