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Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam

Titel: Ohne Mann bin ich wenigstens nicht einsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly Arnold
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nehmen.«
    »Hä?«, rutschte es mir heraus. Es geschah manchmal, dass ich mich meiner Mutter gegenüber unfreiwillig wie eine Göre verhielt.
    »Also, ich weiß nicht, das Glockenbachviertel ist doch ziemlich kaputt, wenn du mich fragst. Voll mit Homosexuellen, Irren und Drogenabhängigen.«
    »Was?«
    »Da gehörst du nicht hin.«
    Ich sah sie ungläubig an. »Das ist doch gar nicht wahr. Die Zeiten ändern sich. Das Glockenbachviertel ist heute sogar ziemlich in.«
    »Und wo sind dann jetzt diese Leute?«
    »Was weiß denn ich«, rief ich genervt. »Vielleicht in Giesing.«
    Wenn ich noch länger hierblieb, würde das irgendwann an meine Nerven gehen. Aber langsam musste ich mich sowieso nach einer anderen Bleibe umsehen. Markus kam in ein paar Tagen aus dem Krankenhaus und würde ebenfalls hier einziehen müssen. Er war erst einmal für ein paar Wochen krankgeschrieben und konnte sich kaum selbst versorgen.
    Als Übergangslösung würde eine der beiden Wohnungen sicher ihren Zweck erfüllen.
    »Bleibst du heute Abend zu Hause?«, unterbrach meine Mutter meine Gedanken.
    »Ja, warum?«
    »Dann können wir uns zusammen die Samstagabend-Show ansehen.«
    Ich verschränkte die Arme auf dem Tisch und ließ seufzend meinen Oberkörper darauffallen.
    »Ist dir nicht gut? Jürgen, ich glaub, der Evelyn geht’s nicht gut. Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst morgens nicht so viel Kaffee trinken.«
    Ich hatte nicht die Wahl zwischen Giesing und Glocken bachviertel, sondern zwischen schnell und schneller.

6
    I ch habe etwas für dich gefunden. In Pasing, stell dir vor. Ist das nicht toll?« Antje klang geradezu euphorisch.
    »Was soll daran toll sein? Da wohnen meine Eltern.« Ich liebte Pasing. Es lag am westlichen Stadtrand von München, und dort war ich aufgewachsen, aber nach der Nähe der vergangenen Tage wollte ich nicht unmittelbar neben meinen Eltern wohnen.
    Antje lachte. »Ja, aber die Wohnung ist ja nicht um die Ecke, sondern mindestens zwanzig Minuten zu Fuß von eurem Haus entfernt. So klein ist Pasing auch wieder nicht.«
    Es fiel mir schwer, zuversichtlich zu sein. Nach dem gestrigen Desaster musste ich mein Optimismuspotenzial erst wieder aufbauen. Die Wohnung in Giesing war eine Bruchbude gewesen, und der Vermieter im Glockenbachviertel ein anzüglicher und ekliger Typ, dessen erste Frage war: »Sind Sie alleinstehend? So ein steiler Zahn wie Sie?« Er sah aus, als wäre er seit Jahrzehnten nicht mehr aus sei ner Wohnung herausgekommen. Die langen Haare, der aus ladende Hemdkragen – und nicht zuletzt der Ausdruck steiler Zahn , den ich zuletzt in einem Peter-Kraus-Film aus den Fünfzigern gehört hatte.
    »Also, was ist? Können wir uns um acht Uhr am Bahnhof Pasing treffen«, hakte Antje nach. »Dann gehen wir zu dem Haus.«
    »Haus? Ich kann mir doch kein Haus leisten. Bist du verrückt?«
    »Da wird ein großes Zimmer vermietet, mit Bad. Küche wird gemeinsam benutzt. Es ist eine Frauen- WG .«
    Ich schluckte. Nur Frauen? Hatten die sich absichtlich zu einer Einheit zusammengeschlossen? Vielleicht nach dem Motto: Wir brauchen keine Männer in unserem Leben? Aber wenn ich das so fragte, dann wäre ich genauso borniert wie meine Mutter. Grundsätzlich war mir das egal, aber ich hatte keine Lust, wie ein Schulmädchen nicht zur Gruppe zu gehören, weil ich aus irgendeinem Grund nicht zu ihnen passte.
    »Die Inhaberin ist die Schwägerin der Bekannten von Egges Cousine.«
    »Das ist mir zu kompliziert, aber egal. Wie viele Frauen sind es denn?«
    »Ich glaub drei – hab’s vergessen. Weißt du was? Ich beneide dich. Eine WG ist bestimmt lustig.«
    »Ja, besonders in unserem Alter.«
    Während ich mit einem Pappbecher Kakao im Bahnhof herumlungerte und auf Antje wartete, kreisten meine Gedanken um tausend Dinge. WG . Nur Frauen. Militante Emanzen? Opfer ehelicher Gewalt? Prostituierte? Kichern de Tussis? Vielleicht sollte ich das Ganze absagen. Aber Antje machte sich extra abends von ihrer Familie los, um mit mir dorthin zu gehen; das konnte ich nicht machen.
    Es war acht Uhr abends. Ich fror und wärmte mir die Hände am Pappbecher. Der Buchladen hatte um halb sieben geschlossen, und nun stand ich hier, war müde und hungrig. Mein Handy meldete sich, und mein Herz machte einen Aussetzer. Christoph? Nein, das Display zeigte Mutter . Zu meiner Verteidigung: Ich hasste mich dafür, dass ich immer noch darauf hoffte, dass er mich anbettelte, zu ihm zurückzukommen.
    »Hallo?«
    »Wo bleibst du denn?

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