Ohne Skrupel
erschien
nicht zur Arbeit. Das erfuhr JP beim Mittagessen in der Kantine von Abteilungskollegen
aus dem Marketing. JP hatte den ganzen Tag auf ein Polizeifahrzeug und eine
„dramatische“ Festnahme gewartet, aber dem war nicht so. Es ging alles weiter
wie gehabt. Gar nichts Außergewöhnliches geschah. Er redete mit niemandem über
die Entdeckungen der vergangenen Nacht und versank rasch in der Hektik des
Tagesgeschäftes.
Aber das Thema wollte er
nochmals mit Dr. Drager klären. Was war da passiert? Warum hatte sie alles
unter den Tisch gekehrt?
JP wurde irgendwie
misstrauisch ...
***
Verflixt und zugenäht! Was war los in
letzter Zeit? Zuerst verpatzte es dieser italienische Trottel und fiel auch
noch der Polizei in die Finger, dann entdeckte er plötzlich seine „weiche
Seite“ und zeigt Bereitschaft zum Singen und nun erwischten sie auch noch diese
französische blöde Kuh, die auf dem Firmenrechner ihre Design-Entwürfe für die
‚Rookie‘-Verpackungen erstellte und vom Firmennetz aus an den Hersteller in
Frankreich mailt. Pechsträhne nennt man so etwas. Leider, teure Pechsträhne!
Die Asiaten hätten tatsächlich
volle 1,3 Millionen Dollar alleine für die Beschaffung der neuen
Werkstoffformeln vor deren Einreichung zum Patent bezahlt. Es war ärgerlich,
wenn auch notwendig, den gesamten Plan kurzfristig abändern zu müssen! Die
falsche Fährte der Industriespionage war im Prinzip eine gute Idee! Es sollte
davon ablenken, dass Original Malinger-Produkte regelmäßig aus der eigenen
Fertigung gestohlen und unter anderem Namen vertrieben wurden.
Der Italiener „La
Pulcinella“ wurde für diesen Job sehr empfohlen! Und mit den Zugangsdaten zum
gesicherten Raum hätte das alles kein Problem sein dürfen. Pech gehabt, „La
Pulcinella“, Empfehlungen öffnen zwar die Türe einfacher, verhindern aber nicht
das Schließen des Sargdeckels.
Es wurde erledigt, was
erledigt werden musste! Das einzige Glück für das Designer-Mädchen war, dass
sie wirklich in keinster Weise wusste, für wen sie tatsächlich arbeitete. So
konnte man sich wenigstens die Kosten für ihre Beseitigung sparen. Wer nichts
wusste, den kann man auch seiner Wege ziehen lassen. Sie konnte höchstens
aussagen, dass sie von einem anonymen Mann angesprochen worden war und im Laufe
des vergangenen Jahres 22.500,- Euro in bar, in mehreren Raten, erhalten hatte.
Aber vor wem sollte sie schon aussagen?
Der alte, weiche Malinger
wollte wieder einmal jeglichen Skandal vermeiden und hatte sogar von einer
Anzeige abgesehen. „Kündigung in beiderseitigem Einverständnis und sofortiges
Verlassen der Stadt München“, waren seine einzigen Auflagen.
Wow, was für ein
konsequenter Schritt! Aber zu mehr war der alte Saftsack ja nicht mehr fähig!
Verabscheuungswürdig, ein derartiger „Warmduscher-Führungsstil“! Aber die Sache
mit dem Senioren-Firmenpatron würde sich schon sehr bald geregelt und erledigt
haben! Dann würden andere Zeiten aufziehen und Malinger zur profitabelsten
Firma der gesamten Automobilbranche werden, geführt von einer Person, die nicht
von Mitleid und Mitgefühl getrieben wurde. Ratio und Intellekt werden die neuen
Entscheider. Menschlichkeit und Bauchgefühl kommen dorthin, wo sie keiner
vermisst, in den Keller!
Aber sei's drum –
Rückschläge machen stärker, aber sie können den großen Masterplan nicht
erschüttern. Aber es war nun noch mehr Vorsicht geboten!
***
Franz Korber hatte durch den
beruflichen Stress zu Jahresbeginn beinahe seine privaten Ambitionen eines
Jobwechsels verdrängt. Es lief wieder besser in den Malinger Werken, die
Wirtschaft kam ganz langsam und aus eigener Kraft wieder aus dem tiefen Tal des
vergangenen Herbstes heraus. Es wurde der IT-Abteilung großzügig Budget
genehmigt und sie arbeitete wieder wie am Schnürchen. JP Santa Cruz hatte alles
richtig gut im Griff. Und er, Franz, konnte sich wieder auf diversen Meetings
mit Abteilungsleitern und Lieferanten durch den Tag plagen. Er war ein Mann der
Tat und nicht so sehr des ständigen Verhandelns und Redens, Planens,
Budgetierens und Taktierens. Deshalb kam das Jobangebot in Leipzig schon
beinahe unerwartet. Aber es klang sehr verlockend. Leipzig war sicherlich nicht
mit München zu vergleichen, aber, welche Stadt ist das schon?
Die Chance, wieder in den
Spiegel schauen zu können und die Sache Malinger gedanklich und physisch hinter
sich lassen zu können, hatte einen großen Reiz für Franz. Ein Job von 09:00
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