Oksa Pollock. Die Unverhoffte
ihnen herauskatapultiert wurden. Es ist nicht einfach, wie du siehst. Und in der zweiten und dritten Generation ist es noch schwieriger, weil nicht unbedingt alle ihren Kindern von ihrer Herkunft erzählt haben.«
»Genau wie ihr …«, murmelte Gus.
»Oh, Gus!«, rief seine Mutter und versuchte, ihren Sohn in die Arme zu nehmen, aber Gus schob sie weg.
»Obwohl ihr seit mehreren Wochen wisst, dass ich in diese ganze Geschichte eingeweiht bin, habt ihr einfach weiterhin so getan, als wäre nichts!«, schimpfte er.
»Nimm es uns nicht übel«, bat sein Vater sanft.
»Ich nehme es euch nicht übel«, sagte Gus, »ich fühle mich nur gedemütigt. Ihr habt euch bestimmt gut amüsiert!«
Seine Mutter richtete sich auf. »Was soll das denn heißen, Gus?«, empörte sie sich. »Warum sollten wir uns denn amüsiert haben? Findest du es so witzig?«
»Natürlich nicht«, antwortete Gus in gereiztem Ton, »es ist überhaupt nicht witzig. Es ist sogar noch schlimmer, als ich befürchtet hatte.«
»Warum denn, Gus?«
»Weil ich jetzt noch viel weniger dazugehöre!«, brach es aus ihm heraus.
»Oh! Geht das wieder los, die Klage von Gus, dem Jungen voller Komplexe. Hörst du wohl auf zu jammern? Es reicht!«, schrie Oksa. »Du bist hier, weil du mein Freund bist, der beste Freund, den ich mir wünschen kann! Was willst du noch mehr? Und wenn dir das noch nicht genügt: Wer hat es denn möglich gemacht, dass wir all diese Informationen über McGraw haben? Und wer hat mich an die Formel für das Tornaphyllon erinnert, als mein Kopf wie leer gefegt war? Wer ist immer da, um mir zu helfen, den Durchblick zu behalten? DU!«
Mit geröteten Wangen und Tränen in den Augen starrte Oksa Gus an, drehte ihm den Rücken zu, stürzte ans andere Ende des Salons und warf sich auf ein Sofa.
»Ich habe es ja so satt!«
Ein Hilferuf
E
in unbehagliches Schweigen folgte auf diesen Ausbruch.
Schließlich setzte Brune Knut sich in ihrem Ledersessel zurecht und sagte mit ihrer erstaunlichen Bassstimme: »Wir sollten entscheiden, wie wir weiter mit Orthon vorgehen. Das ist im Moment das Wichtigste.«
»Was können wir denn tun?«, fragte Marie.
»Nicht viel, fürchte ich«, antwortete Abakum.
»An die Polizei brauchen wir gar nicht zu denken, man würde uns nur für verrückt halten und uns hinter Schloss und Riegel sperren«, murmelte Tugdual in seiner Ecke.
»Oder, noch schlimmer, man würde an uns Versuche zu wissenschaftlichen Zwecken vornehmen«, fuhr Abakum fort. »Die Kinder von der Schule zu nehmen, scheint mir allerdings auch keine Lösung zu sein.«
»Außerdem würde es nichts ändern, jetzt, da Orthon uns sowieso auf den Fersen ist«, fügte Dragomira hinzu. »Seht doch nur, wie gut es ihm gelungen ist, uns alle aufzuspüren.« Sie zeigte auf die Liste, die sie immer noch in der Hand hielt. »Wir könnten höchstens einen anderen Namen annehmen und ans andere Ende der Welt fliehen.«
»Wir sind schon so oft geflohen«, sagte Pavel aufgebracht. »Und mit welchem Ergebnis? Jetzt schweben wir in noch größerer Gefahr!«
»Das Wichtigste ist, dass wir zusammenhalten«, fuhr Dragomira mit einem scharfen Blick auf ihren Sohn fort. »Zusammenhalten und uns treu bleiben. Wir müssen uns auf das Schlimmste gefasst machen. Und wir müssen unsere Kräfte bündeln – gegen Orthon, vor allem aber auch zu Oksas Schutz. Es geht um unser aller Schicksal!«
»Aber Oksa gehört euch doch nicht!«, protestierte Pavel. »Es ist nicht an euch, über ihr Schicksal zu entscheiden. Hört also auf, es mit eurem zu verbinden!«
»Ich bitte dich, Pavel, reiß dich zusammen«, entgegnete Dragomira trocken.
»Und ich sage euch nochmals, dass Orthon Oksa kein Leid zufügen wird«, mischte sich Leomido mit gebrochener Stimme ein. »Daran hat er überhaupt kein Interesse. Er will dasselbe wie wir alle: nach Edefia zurückkehren!«
»Das kommt überhaupt nicht infrage, ich will jedenfalls nicht nach Edefia!«, sagte Pavel.
Er stand auf und tigerte in einiger Entfernung von der Gruppe auf und ab. Von ihrem Platz aus konnte Oksa ihn gut sehen. Er war bleich und sah so müde aus, so gequält. Und das alles wegen dieses verflixten Mals auf ihrem Bauch …
Ich hätte lieber den Mund halten sollen, anstatt es Baba zu zeigen, sagte sie sich. Seit das Geheimnis ihrer Herkunft gelüftet worden war, bestand ihr Leben und das ihrer Familie nur noch aus Verwirrung und Gefahr. Edefia brachte ihnen nichts als Ärger. Und sie, Oksa, die sie nun »die
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