Oksa Pollock. Die Unverhoffte
geschnittene Hose mit Bundfalten, sein Oberkörper steckte in einer leichten Rüstung aus weichem Leder. Seine Augen strahlten Selbstsicherheit und eine Furcht einflößende Kälte aus. Malorane war sichtlich schockiert von seinem plötzlichen Erscheinen. Sie drehte sich erst mit einem unendlich traurigen Blick zu der jungen Dragomira um und ging dann auf den Mann zu.
»Ocious … Ihr wart es also. Ihr, der Erste Diener des Pompaments, seid der Anführer dieser Verschwörung! Treubrüchiger!«
»Warum sprecht Ihr von Treuebruch?«, donnerte Ocious. »Vergesst nicht, meine hochverehrte Huldvolle, es ist einzig und allein Eurer Leichtfertigkeit zu verdanken, dass ich das Geheimnis-das-nicht-enthüllt-werden-darf erfahren habe.«
»Meine Leichtfertigkeit ist das eine«, entgegnete Malorane. »Doch wenn Ihr mir das Geheimnis nicht mit solcher Hinterlist entrissen hättet, wären wir jetzt nicht in dieser Lage. Ich war unvorsichtig, gewiss, denn ich habe Euch, entgegen der einhelligen Meinung des Pompaments über Euch, blind vertraut. Mein unvorsichtiges Vertrauen und Euer unermesslicher Ehrgeiz stürzen uns heute ins Verderben. Seht nur, was Ihr angerichtet habt!«
Mit einer Geste wies sie zum Balkon. Von draußen war das Lärmen einer aufgebrachten Menge zu hören.
»Durch Euren Verrat ist die Sanduhr meiner Herrschaft zersprungen!«, sagte Malorane noch lauter. »Die Erschütterung war bis an die Grenzen Edefias zu spüren und schon machen sich die Folgen Eures Verstoßes bemerkbar. Leider werde ich nicht als Einzige dafür büßen. Habt Ihr bemerkt, wie schwach das Licht geworden ist? Und wie tief die Temperatur gesunken ist? Das Volk ist in Panik. Es ist das erste Mal in der Geschichte Edefias, dass ein solches Chaos ausbricht!«
»Ja, und Ihr könnt Euch damit brüsten, schuld daran zu sein, hochverehrte Huldvolle!«, schleuderte Ocious der Herrscherin verächtlich entgegen. »Mein Ziel ist nicht der Untergang Edefias, im Gegenteil. Ich will unser Land zum Mittelpunkt der Welt machen. Ich weiß, dass Ihr das Tor öffnen könnt, ich will hindurchgehen und nach Da-Draußen gelangen!«
»NIEMALS! HÖRT IHR?«, schrie Malorane.
»Eure Halsstarrigkeit ist der Beweis für Euren ungeheuren Egoismus und Eure Verblendung. Die Von-Drinnen werden sich nicht länger damit abfinden«, ereiferte sich der Mann.
»Die Von-Drinnen?«, unterbrach ihn Malorane. »Habt den Mut, für Euch selbst zu sprechen, Ocious! Ihr seid es, der hinausmöchte, nicht das ganze Volk. Ihr habt mich verraten, nicht das Volk!«
»Ihr täuscht Euch, Huldvolle, ich bin bei Weitem nicht allein«, sagte Ocious. »Euch würde Hören und Sehen vergehen, wenn Ihr wüsstet, wer alles auf meiner Seite steht. Doch heute ist ein großer Tag, Ihr werdet mir und meinen Verbündeten das Tor öffnen, freiwillig oder unfreiwillig. Ihr habt keine andere Wahl!«
»Freiwillig oder unfreiwillig? Freiwillig werde ich es sicher nicht tun, Ocious. Ich weiß, was Ihr im Da-Draußen wollt – Macht, das ist das Einzige, was Euch interessiert. Ich wollte es nicht einsehen. Naiv, wie ich war, glaubte ich, dass jeder sich bessern könne und dass es ungerecht sei, Euch für die Fehler Eurer Vorfahren büßen zu lassen. Allen und jedem zum Trotz habe ich Euch eine Chance gegeben. Das kommt mich heute teuer zu stehen. Euch hinauszulassen, würde Edefia endgültig ins Unglück stürzen und das Da-Draußen ebenfalls! Unsere Kräfte sind uns nicht verliehen worden, um diejenigen zu unterdrücken, die keine solchen besitzen; an diesen Grundsatz haben wir uns immer gehalten. Und woher wollt Ihr wissen, dass das Tor sich noch öffnen lässt, nun, da das Geheimnis-das-nicht-enthüllt-werden-darf kein Geheimnis mehr ist? Vielleicht ist diese Fähigkeit ja mit dem Zerspringen der Sanduhr erloschen? Soll ich Euch sagen, welchen Eid ich, wie alle anderen Huldvollen vor mir, in der Kammer des Umhangs geschworen habe?
Du allein, Huldvolle,
Sollst dieses Geheimnis hüten.
Keiner soll es kennen außer dir.
Denn in den Menschen,
Den Von-Drinnen wie den Von-Draußen,
Ist Gutes und Böses.
Wird das Geheimnis enthüllt,
Wirst dein Leben du geben!«
Der Mann schauderte. Die Worte, die Malorane ihm entgegengeschleudert hatte, verunsicherten ihn. Einen Moment lang überlegte er, dann fasste er sich wieder.
»Das ist eine List, meine hochverehrte Huldvolle! Ihr wollt mich täuschen, aber ich werde Euch zwingen, nachzugeben! Und wenn nicht Euch, dann eben sie«, schloss er harsch und
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