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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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gelungen war. In Bontempis Büro einzudringen und McGraws Personalakte zu kopieren! Einen Blick in sein Portemonnaie zu werfen, ohne dass jemand etwas merkte! Wirklich professionelle Arbeit, aber sie hatte ganz schön gezittert und Schweißausbrüche bekommen, besonders bei ihrer unfassbaren – und gewagten – Flucht aus dem zweiten Stock!
    »Und was war alles in seinem Portemonnaie? Irgendwas Interessantes?«, fragte Gus, der immer noch auf dem Bett lag und Oksa unverwandt ansah.
    »Nein«, sagte Oksa, ohne aufzuschauen, »nicht so richtig. Es war alles Mögliche drin, was man eben in einem Portemonnaie hat: eine Kreditkarte, ein Führerschein, Kassenzettel, hingekritzelte Telefonnummern. Nichts Besonderes. Aber ich habe eine Karte gefunden, auf der ein merkwürdiger Satz stand: ›Wenn du glaubst, stärker zu sein als ich, wirst du es mir beweisen müssen.‹«
    »Komisch …«
    Beide schwiegen einen Moment. Gus nickte mit dem Kopf, während er konzentriert über all das nachdachte, was Oksa ihm gerade gesagt hatte. Oksa wiederum versuchte mühsam, die Spannung abzubauen, die sich im Lauf dieses etwas speziellen Tages in ihr angesammelt hatte. Niemals hätte sie geglaubt, dass sie zu derartigen Dingen fähig wäre, wie sie sie heute getan hatte. Es sich vorzustellen oder davon zu träumen, war etwas ganz anderes! Sie fand es toll, solche Grenzen zu überschreiten, doch gleichzeitig jagte es ihr große Angst ein. Sie dachte an das unerhörte Risiko, das sie für ein alles in allem recht dürftiges Ergebnis auf sich genommen hatte, und an die möglichen Folgen, wenn McGraw oder Bontempi etwas bemerkt hätten. Nein, daran sollte sie jetzt lieber nicht denken. Sie hatte sowieso schon wieder mehr Angst im Nachhinein als während ihrer gewagten Unternehmungen. Eine Reihenfolge, die irgendwann zu einem Problem werden konnte …
    Gus brach das Schweigen, indem er sagte: »Jedenfalls war es wirklich klasse, was du da heute gemacht hast!«
    »Aber ich hatte schon ein bisschen Schiss«, sagte Oksa, ohne auf Gus’ Kompliment einzugehen.
    »Ich gebe zu, ins Büro des Schulleiters einzubrechen und Personalakten zu kopieren, ist nicht ganz in Ordnung. Aber die Umstände sind außergewöhnlich. McGraw kann man nicht über den Weg trauen und jetzt haben wir den Beweis. Du hast nichts Böses getan, du hast nur eine Personalakte kopiert und in ein Portemonnaie geschaut, das ist nicht weiter schlimm. Du hast ja nichts geklaut.«
    »Äh …«, machte Oksa und sah kläglich auf ihre abgekauten Nägel.
    Gus setzte sich auf. »Halt mal … Soll das etwa heißen, dass du etwas aus seinem Portemonnaie genommen hast?«, rief er.
    »Ja«, gab Oksa zu und zog einen zusammengefalteten Zettel aus der Tasche, dessen Ecken ganz rund und weich waren vor lauter Abnutzung.
    »Das darf nicht wahr sein! Du spinnst doch total!«, stöhnte Gus. »Und was steht auf dem Zettel?«, fragte er dann, weil seine Neugier gleich wieder größer war als seine Angst.
    Oksa faltete den Zettel behutsam auseinander, glättete ihn mit der flachen Hand und aufgeregt lasen sie ihn beide zusammen:
    G. L. 19/04/54 Kagoshima (Jap.) 10/67 + 08/68
    G. F. 09/06/60 London (Engl.) 09/73 + 05/74 + 01/75
    J. K. 12/12/64 Pilsen (Tschech.) 04/77 + 02/78
    H. K. 01/12/67 Mänttä (Finnl.) 11/79 + 10/80
    A. P. 07/05/79 Myrdalsjökull (Isl.) 01/91 + 06/92
    C. W. 16/03/88 Houston (USA) 12/99 + 05/01 + 10/01
    Z. E. 29/04/96 Amsterdam (Niederl.) 07/08
    O. P. 29/09/96 Paris (Fr.) 05/09
    »Es sieht aus wie eine Liste mit Anfangsbuchstaben und Daten«, sagte Gus. Aufmerksam betrachtete er den Zettel. Plötzlich rief er: »He, wie merkwürdig! Da steht der Geburtstag meiner Mutter! Und daneben ihr Geburtsort!«
    Überrascht kniff Oksa die Augen zusammen und sah auf die Zeile, die Gus ihr mit dem Finger zeigte.
    »Da, schau mal! J. K. 12/12/64 Pilsen (Tschech.) 04/77 + 02/78. «
    »Wie lautet denn der Mädchenname deiner Mutter?«, fragte Oksa, deren Interesse geweckt war.
    »Kallo«, sagte Gus leise und mit erschrockener Miene. »Bevor sie meinen Vater heiratete, hieß sie Jeanne Kallo, und sie wurde am 12. Dezember 1964 in Pilsen, in der damaligen Tschechoslowakei, geboren … Wie kommt der Name meiner Mutter auf McGraws Liste?«
    »Die große Frage ist, warum er auf der Liste steht!«, korrigierte Oksa atemlos.
    Schweigend tauschten die beiden einen langen Blick, in dem Beunruhigung und Überraschung zu lesen waren.
    »Schau mal!«, sagte Gus und zeigte auf die letzte Zeile. »

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