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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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ein pelziges Gefühl im Mund.
    Er wartete nicht, bis derjenige, der das Licht eingeschaltet hatte, in den zweiten Stock kam, sondern fing gleich an zu husten. Weil seine Kehle so zugeschnürt und trocken war, verwandelte sich sein leises Hüsteln bald in eine heftige Hustenattacke. Das ist der Untergang!, dachte er panisch. Mit diesem dämlichen Husten werde ich noch die ganze Schule zusammentrommeln! Oksa, Oksa, in was für eine Lage hast du uns nur wieder gebracht?!
    Jake, einer der Aufsichtslehrer, tauchte am anderen Ende des Gangs auf. Gus starb beinah vor Angst. Immerhin hatten die bläulichen Lichtblitze und das Kreischen des Kopierers in Herrn Bontempis Büro aufgehört. Dann hörte Gus das Klicken des Schlosses: Oksa hatte von innen zugesperrt. Er hatte erwartet, dass sie herauskäme, sobald er sie warnte, doch offenbar hatte sie sich für eine andere Taktik entschieden. Oder sah sie keinen anderen Ausweg mehr und verließ sich darauf, dass er ihr aus der Patsche half?
    Was soll ich nur tun?, fragte er sich aufgelöst. Ich hätte bei dieser ganzen Geschichte gar nicht mitmachen sollen!
    Zum Glück war Jake bei Weitem nicht der schlimmste Aufsichtslehrer an der Schule. Trotzdem wusste Gus nicht, was er sagen sollte, als Jake ihn fragte: »Was machst du denn hier?«
    »Äh … ich … ich habe auf Mr McGraw gewartet … äh … ich meine … Madame Crèvecœur … Ich wollte sie wegen des Geschichtsunterrichts etwas fragen«, stammelte er.
    »Du wolltest ihr sicher eher das da geben.« Der Aufsichtslehrer grinste und deutete auf die Rose in Gus’ Hand.
    »Äh … nein, nein«, antwortete Gus und kam sich furchtbar dämlich vor.
    »Egal, hier kannst du jedenfalls nicht bleiben. Stell ihr deine Frage im Unterricht, in Ordnung? Und jetzt geh wieder auf den Schulhof.«
    »Ja«, sagte Gus, doch er zögerte, ohne Oksa zurückzugehen.
    Dann drangen jedoch Stimmen aus dem Treppenhaus an sein Ohr, darunter die von Madame Crèvecœur und Mr McGraw. Nun blieb ihm gar nichts anderes übrig, als zum anderen Ende des Gangs und zurück auf den Schulhof zu gehen.
    Von Bontempis Büro aus hatte Oksa die ganze Unterhaltung verfolgt. Als sie Gus’ Signale gehört hatte, hatte sie den Kopierer ausgeschaltet und McGraws Personalakte weggeräumt, zufrieden, dass sie es immerhin geschafft hatte, sie vollständig zu kopieren. Jetzt rollte sie die Seiten zusammen, steckte sie unter ihre Bluse und klemmte sie zwischen Gürtel und Rock fest.
    Plötzlich waren im Gang Stimmen zu hören, sie konnte nicht mehr zur Tür hinaus! Mit wild klopfendem Herzen überlegte sie rasch, welche Möglichkeiten sie hatte. Sie konnte sich unter dem Schreibtisch des Schulleiters verstecken und riskieren, den ganzen Nachmittag direkt neben Monsieur Bontempis Knien festzusitzen. Oder sie konnte wie der Blitz nach draußen schießen und so schnell wegrennen, dass keiner sie erkannte – was auch nicht sehr realistisch war. Und schließlich konnte sie den letzten Ausweg nehmen, den es noch gab: das Fenster.
    Sie hörte die Stimme des Rektors, der näher kam. Gleich würde die Tür aufgehen! Da dachte sie nicht weiter nach, riss das Fenster auf, stieg hinaus und kniete sich auf die Fensterbank. Schließlich zog sie den Vorhang und den Fensterflügel noch etwas hinter sich zu, damit das offene Fenster nicht sofort Bontempis Aufmerksamkeit erregen würde. Vor ihr ragte einer der unzähligen Wasserspeier aus der Mauer und bot ihr einen zusätzlichen Halt. Doch als sie hinunterschaute, fiel ihr wieder ein, dass sie im zweiten Stock war.
    Wow, das ist ganz schön hoch! Eine neue Herausforderung für Oksa-san!, sagte sie sich. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich mit aller Kraft auf die Leere unter sich. Dann streckte sie vertrauensvoll den linken Fuß in die Luft und bewegte ihn hin und her, als würde sie das Gelände abtasten. Uff, die Leere hatte sich materialisiert! Sie stellte den Fuß ab, als wäre da fester Boden, und wollte nun mit dem anderen Fuß ebenfalls einen Schritt wagen. Das fiel ihr sehr viel schwerer, weil es auch sehr viel ernstere Folgen hätte, wenn es misslang. Sie würde riskieren, zehn Meter weiter unten auf dem Boden aufzuschlagen! Hinterhältigerweise ging ihr dieser Gedanke jetzt durch den Kopf und verunsicherte sie.
    »Nein! Ich darf nicht mal daran denken«, flüsterte sie.
    Mutig warf sie einen letzten Blick hinunter, um sich zu vergewissern, dass da niemand war. Der Weg war frei, die Schüler waren noch in der Kantine,

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