Oliver Hell - Gottes Acker (German Edition)
machst Du die dreckige Wäsche für frustrierte Paare‘.“
„ So ähnlich, ja“, gestand er.
„ Irgendeiner muss es tun. Es ist ein Beruf, wie jeder andere auch.“
Wendt spürte die Müdigkeit in sich aufsteigen. Er kämpfte dagegen an. Doch dann entfuhr ihm ein heftiges Gähnen. Es war ihm peinlich. Doch sie reagierte anders als erwartet.
„ Sie armer Mensch. Ich labere Sie hier zu mit meinem belanglosen Zeug. Entschuldigung.“
„ Das ist sonst nicht meine Art, in Gegenwart einer bezaubernden Frau zu gähnen. Aber ich habe ein übles Schlafdefizit“, entschuldigte er sich.
Julia Deutsch griff an ihre Gesäßtasche und holte etwas hervor, was sie ihm sofort entgegenstreckte.
„ Vielleicht haben Sie Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken. Wenn es Ihnen wieder besser geht natürlich“, sagte sie mitfühlend.
Wendt nahm die Visitenkarte in die Hand. Sein Herz machte einen Hüpfer.
„ Sehr gerne. Ich würde mich freuen.“
*
Die Fragen blieben in der Luft hängen. Seit einer Stunde saßen abwechselnd Hell oder Klauk im Verhörraum und versuchten, Lacro weichzukochen. Vergebens.
Hinter der halbdurchsichtigen Scheibe waren Überthür und Oberstaatsanwältin Hansen Zeugen des Desasters. Ihre Minen verfinsterten sich zusehends. Auch auf den beiden modernen Flachbildschirmen, von denen aus andere Perspektiven aus dem Verhörraum in den Beobachtungsraum übertragen werden konnten, sah die Situation nicht erfolgversprechender aus.
„ Ob ich es mal versuchen kann?“, fragte Meinhold, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihre Kollegen ins Präsidium zu begleiten.
„ Denken Sie, er lässt sich von einer Frau beeindrucken?“, fragte Hansen skeptisch.
„ Ich habe es heute schon einmal geschafft“, antwortete Meinhold nicht ohne Stolz. Hansen schaute zu Überthür herüber und nickte ihr schließlich zu.
Als Meinhold in den Verhörraum trat, legte sich Lacro demonstrativ auf den Tisch. Dann setzte er sich aufrecht hin und schaute Meinhold provozierend offen an. Er sah lächerlich aus, in seinen blutigen Frauenkleidern, mit seiner verwischten Schminke im Gesicht. Unter dem Kleid trug er einen frischen Verband.
„ Jetzt fahren sie wieder ihre Geheimwaffe auf. Haben ihre männlichen Kollegen schon die Nase voll? Das ist aber ein schwaches Bild.“
Meinhold setzte sich ruhig hin und sagte nichts. Eine Minute lang schwieg sie. Lacro wurde unruhig.
„ Was ist das jetzt für ein Psychospielchen? Haben Sie sich in mich verliebt? Machen Sie ein Foto von mir und lassen mich in Ruhe.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. So gut es ging, mit an den Tisch fixierten Handgelenken.
Meinhold schwieg weiter.
Sie hob ihre Hände und faltete sie vor ihrem Gesicht. Ihre Fingerspitzen berührten die Nase.
„ Wollen Sie jetzt beten?“
Meinhold schwieg weiter. Lacro wurde langsam immer fahriger.
„ Fangen Sie jetzt mit Vernachlässigung und Missbrauch in der Kindheit oder so einem Quatsch an?“, fragte er und beugte sich nach vorne.
Meinhold fing ganz langsam an zu sprechen. „Kennen Sie das? Hat man Sie das schon einmal gefragt? Studien haben gezeigt, dass man in solchen Fällen mit einem erhöhten Risiko für zukünftige Gewalt rechnen kann.“
„ Alles Quatsch. Ich bin ein total normaler Mann.“
„ Nein, das sind Sie nicht“, sagte Meinhold ruhig, „Wissen Sie, ich mache im Moment meine Ausbildung zum Analytischen Fallermittler. Sie werden das vielleicht unter Profiler kennen. Im Rahmen meiner Ausbildung habe ich von einer Checkliste gehört, mit der man eine klinische Beurteilung eines Menschen vornehmen kann. Diese Dinge – nennen wir sie mal Instrumente – messen die verschiedenen Cluster von Persönlichkeitsmerkmalen.“
Sie machte eine Pause, um festzustellen, ob Lacro ihr zuhörte oder nur gelangweilt in der Gegend herumschaute. Er blickte aber wieder zu ihr herüber und ermunterte sie mit einem Heben der Augenbrauen auf, weiterzusprechen.
„ Die zwischenmenschlichen Eigenschaften umfassen Zungenfertigkeit, oberflächlichen Charme und ein grandioses Selbstwertgefühl. Sie hören sich gerne reden, denken, dass Sie Charme besitzen und ihre Art, mit der Polizei Katz und Maus zu spielen zeugt von ihrem übersteigerten Geltungsbewusstsein. Ich denke, dass sie schon früh ein pathologischer Lügner waren und es genossen, andere zu manipulieren. Die affektiven Merkmale sind ein Mangel an Reue. Ihnen ist es scheißegal, was mit ihren Opfern passiert. Sie zeigen einen flachen Affekt,
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