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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Amazonen mitgenommen; eigentlich hatte er schon ein paar Stunden später wieder zurück sein wollen. An jenem Morgen war ihm seine Kraft so grenzenlos erschienen wie sein Zorn.
    Nun fragt sich Achilles, ob er die Kraft besitzt, die hundertvie r zig Kilometer lange Metalltreppe wieder hinunterzusteigen.
    Vielleicht, wenn ich den Leichnam der Frau zurücklasse.
    Noch während der Gedanke durch sein erschöpftes Bewuss t sein schlüpft, weiß er, dass er das nicht tun wird … er kann es nicht. Was hat Athene gesagt? »Von diesem speziellen Zauber der Aphrodite gibt es keine Erlösung – die Pheromone haben gesprochen, und ihr Urteil ist endgültig. Penthesilea wird deine einzige Liebe in diesem Leben sein, entweder als Leiche oder als lebendige Frau … «
    Achilles, der Sohn des Peleus, hat keine Ahnung, was Pherom o ne sein könnten, aber er weiß, dass Aphrodites Fluch durc h aus real ist. Die Liebe zu dieser Frau, die er so brutal getötet hat, nagt heftiger an seinen Gedärmen als die Hungergefühle, die seinen Magen knurren lassen. Er wird auf gar keinen Fall umkehren. Athene hat gesagt, es gebe Genesungstanks auf dem Gipfel des Olymps, das Geheimnis der Götter, die Quelle ihrer körperlichen Wiederherstellung und ihrer Unsterblichkeit – einen geheimen Weg um die unantastbare Linie zwischen dem Licht und der Dunkelheit, die das Gehege der Zähne des Todes ist. Die Gen e sungstanks … dorthin wird Achilles Penthesilea bringen. Wenn sie wieder atmet, wird sie seine Braut werden, und nicht einmal die Moiren persönlich werden ihn aufhalten können.
    Doch nun zittern ihm die kräftigen, gebräunten Arme vor E r schöpfung, und er beugt sich vor und stützt diese Arme auf seine blutigen Knie, direkt über den Beinschienen. Er schaut durch das Glasdach und die gläsernen Seitenwände der umschlossenen M e talltreppe hinaus und nimmt zum ersten Mal seit drei Tagen den Anblick wirklich in sich auf.
    Es ist kurz vor Sonnenuntergang, und der Schatten des Olympos erstreckt sich weit über die rote Landschaft unter ihm. Das Loch ist fort, und auf der roten Ebene unten brennen keine Schlach t feld-Lagerfeuer mehr. Über einen großen Teil der hu n dertvierzig Kilometer hinweg, die er emporgestiegen ist, kann Achilles die Schlangenlinie der gläsernen Rolltreppe sehen; ihr Glas fängt mehr Licht ein als die dunklen Hänge unter ihr. We i ter draußen fällt der Schatten des Berges auf die Küstenlinie, auf ferne Hügel und das blaue Meer, das so träge von Norden heranrollt. Im Osten sieht Achilles nun die weißen Gipfel dreier weiterer hoher Berge, die über tief hängende Wolken aufragen und den roten Lich t schein des Sonnenuntergangs einfangen. Der Rand der Welt ist gekrümmt. Das kommt Achilles sehr seltsam vor, denn wie j e dermann weiß, ist die Welt entweder flach oder untertassenfö r mig, und die fernen Mauern krümmen sich nach oben und nicht nach unten, wie es der Rand dieser Welt nun im Abendlicht tut. Dies ist offensichtlich nicht der Berg Olympos in Griechenland, aber das ist Achilles schon seit vielen Monaten klar. Diese Welt mit ihrer roten Erde, ihrem blauen Himmel und diesem unglau b lich hohen Berg ist die wahre Heimat der Götter, und vermutlich kann sich der Hor i zont hier nach unten krümmen und alles tun, was ihm sonst noch beliebt.
    Er dreht sich um und schaut wieder nach oben, und just in di e sem Moment qtet ein Gott in sein Blickfeld.
    Nach olympischen Maßstäben ist es ein kleiner Gott, ein bärt i ger, hässlicher Zwerg – gerade einmal einen Meter achtzig groß –, und als er dort draußen herumstolpert und seine beschädigte Rolltreppe in Augenschein nimmt, sieht Achilles, dass er ve r krüppelt ist und fast einen Buckel hat. Achilles, der mit dem olympischen Pantheon so vertraut ist wie jeder andere achäische Held, weiß sofort, wer das ist – Hephaistos, der Gott des Feuers, der oberste Handwerker der Götter.
    Hephaistos scheint mit der Begutachtung der Schäden, die sein Werk davongetragen hat, beinahe fertig zu sein – er steht mit dem Rücken zu Achilles draußen in der eisigen Kälte und dem heule n den Jetstream, kratzt sich den Bart und murmelt vor sich hin, während er die Trümmer inspiziert –, und es sieht so aus, als hätte er Achilles und sein in ein Leintuch gehülltes Bündel noch gar nicht bemerkt.
    Achilles wartet nicht, bis er sich umdreht. Der fußschnelle Mä n nertöter stürmt mit Höchstgeschwindigkeit durch das Kraftfeld und attackiert den Gott des Feuers

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