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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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frustrierte sie dermaßen, dass sie sich die Tränen und den Rotz abwischen musste, während sie darauf wartete, dass Greogi und Emme die gefrorene Erde aufbrachen, bevor sie sie wegschaufeln konnte. Zum Glück war es dunkel, und niemand schaute sie an. Hätte sie jemand we i nen sehen, hätte sie vor Scham nur noch heftiger geschluchzt. Als Petyr von seiner Arbeit in der Haupthalle kam, wo er die letzten Schutzvorke h rungen im Erdgeschoss traf, und sie e r neut bat, wenigstens ins Haus zu kommen, erklärte sie ihm wahrheitsgemäß, dass sie gern hier draußen in der Kette mit den mehreren hundert anderen z u sammenarbeitete. Die manuelle Arbeit und die Nähe so vieler Menschen bewirkten, dass sie sich besser fühle, und hielten sie davon ab, über Harman nachzudenken, sagte sie. Es war die Wahrheit.
    Nicht lange nach zehn Uhr abends waren die Gräben fertig. Es waren bestenfalls primitive Rinnen – Durchmesser ander t halb Meter, höchstens einen halben Meter tief, ausgelegt mit Plastikt ü ten, die sie in den vergangenen Wochen in Chom e r gattert hatten. Am Rand der Gräben standen Fässer, in der Di e le Kanister mit dem kostbaren Lampenöl bereit – Petroleum hatte Harman es g e nannt – , das sie in die Gräben gießen und anzünden konnten, wenn die Verteidiger auf der Palisade den Rückzug antreten mussten.
    »Und was passiert, nachdem wir den Beleuchtungsbrennstoff für ein ganzes Jahr in ein paar Minuten aufgebraucht haben?«, hatte Anna gefragt.
    »Wir sitzen im Dunkeln«, hatte Adas Antwort gelautet. »Aber wir sind am Leben.«
    In Wahrheit war sie nicht hundertprozentig von dieser Einschä t zung überzeugt. Wenn die Voynixe die äußere Einfriedung übe r wanden, dann bezweifelte sie, dass eine kleine Feuerwand – s o fern sie überhaupt noch dazu kamen, das Petrol e um anzuzünden – sie zurückhalten würde. Harman und D a eman hatten die Pläne für die Verstärkung von Ardis ’ Türen und die Befestigung der schweren Läden an der Innenseite aller Fenster im Erdgeschoss und im ersten Stock mitentwickelt – die Arbeit lief seit drei Tagen und war Petyr zufolge fast beendet –, aber auch was diese Verte i digungslinie betraf, war Ada ske p tisch.
    Als die Gräben fertig, die Wache auf den Palisaden verdo p pelt und festgelegt worden war, wer die Petroleum-Kanister in der Diele im Falle eines Angriffs zu den Gräben bringen sollte, die neuen Flechette-Gewehre und -Pistolen – genug, um jeden sech s ten in Ardis zu bewaffnen, ein himmelweiter Unterschied zu den drei Flechette-Gewehren, die sie zuvor besessen hatten – verteilt worden waren und Greogi mit dem Sonie über ihnen kreiste und Wache hielt, ging Ada hinein, um Petyr bei den Schutzvorric h tungen im Haus zu helfen.
    Die schweren Läden waren so gut wie fertig – große, massive Holzplanken, die tief in den uralten Eichenrahmen der Fenster von Ardis Hall verankert worden waren und jederzeit zug e klappt und mit den in Hannahs Kuppelofen geschmiedeten eisernen Ri e geln verschlossen werden konnten. Es sah so hässlich aus, dass Ada einfach nur zustimmend nickte und sich dann abwandte, weil ihr die Tränen kamen.
    Sie rief sich in Erinnerung, wie schön und geschmackvoll A r dis Hall noch vor weniger als einem Jahr gewesen war – B e standteil einer fast zweitausend Jahre zurückreichenden Trad i tion. Es war immer ein wundervoller Ort zum Leben und Fe i ern gewesen – kultiviert, geschmackvoll, elegant. Noch vor nicht ganz einem Jahr hatten sie hier komfortabel Harmans neunundneunzigsten Geburtstag begangen, mit einem großen Fest draußen unter den ausladenden Ulmen und Eichen – brennende Laternen in den Bäumen, Speisen aus jedem Winkel des Planeten, die von schw e benden Servitoren aufgetragen wurden, lammfromme Voynixe, die Karriolen und Droschken über die Schotterauffahrt zur b e leuchteten vorderen Veranda zogen, Männer und Frauen aus aller Welt in ihren feinsten G e wändern und mit eleganten Frisuren. Als Ada nun den Blick über die vielen Menschen in groben Kitteln schweifen ließ, die in dem voll gestopften Salon herumwimme l ten, die Laternen, die im Dunkeln zischten und spuckten, das z u sammengerollte Bettzeug auf dem Boden und die Flechette-Gewehre und Armbrüste, die in greifbarer Nähe aufgestapelt w a ren, das Feuer, das nicht des Ambientes wegen im Kamin brannte, sondern um lebenswichtige Wärme zu spenden, während zwa n zig e r schöpfte und schmutzige Männer und Frauen in der Nähe der Feuerstelle

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