Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Sate l litenkameras, euren Sonden oder was auch immer?«
    »Eigentlich nicht. Eben waren sie noch da, und im nächsten Moment waren sie weg. Es ist ungefähr um zwei Uhr morgens griechischer Zeit passiert, da gab es nicht viel zu überwachen … in den griechischen Städten, meine ich.«
    »In den griechischen Städten … «, wiederholt Hockenberry dumpf. »Soll das heißen … ich meine … gibt es … sind auch noch andere Menschen verschwunden? Zum Beispiel in … China?«
    »Ja.«
    Auf einmal peitscht der Wind um ihren Horst und lässt Fu n ken in alle Richtungen stieben. Hockenberry schlägt während des Funkenregens die Hände vors Gesicht und wischt sich dann Asche von Umhang und Chiton. Als der Wind sich legt, wirft er die letzten Scheite ins Feuer.
    Abgesehen von Troja und dem Olymp – der sich, wie er vor acht Monaten herausgefunden hat, gar nicht auf der Erde b e findet – ist Hockenberry bisher nur zu einem einzigen anderen Ort auf dieser früheren Erde gereist, nämlich ins prähistorische Indiana. Bei den dortigen Indianern hat er den einzigen anderen überlebenden Scholiker, Keith Nightenhelser, unterg e bracht, damit ihm nichts passierte, als die Muse jeden tötete, der ihr vor die Nase kam. Jetzt berührt Hockenberry ohne b e wusste Absicht das QT-Medaillon unter seinem Kittel. Ich muss nach Nightenhelser schauen.
    Als läse er seine Gedanken, sagt der Moravec: »Alle anderen sind fort – alle außerhalb eines Hundertfünfzig-Kilometer-Radius um Troja herum. Afrikaner. Nordamerikanische Indianer. Sü d amerikanische Indianer. Die Chinesen und die Aborigines in Australien. Polynesier. Nordeuropäische Hunnen, Dänen und künftige Wikinger. Die Proto-Mongolen. Alle. Jedes andere menschliche Wesen auf dem Planeten – unserer Schä t zung nach waren es ungefähr zweiundzwanzig Millionen – ist verschwu n den.«
    »Das ist unmöglich«, sagt Hockenberry.
    »Ja. Sollte man meinen.«
    »Was für eine Macht … «
    »Eine göttliche.«
    »Aber bestimmt nicht diese olympischen Götter. Die sind bloß … bloß … «
    »Machtvollere Humanoiden?«, sagt Mahnmut. »Ja, das dac h ten wir auch. Hier sind andere Energien am Werk.«
    »Gott?«, flüstert Hockenberry, der in einer strengen Baptiste n familie in Indiana aufgewachsen ist, bevor er den Glauben g e gen Bildung eingewechselt hat.
    »Kann schon sein«, sagt der Moravec, »aber wenn, dann lebt er auf dem Planeten Erde oder in dessen näherer Umgebung. Zur selben Zeit, als Agamemnons Frau und Kinder ve r schwunden sind, wurden auf der Erde oder im erdnahen Orbit gewaltige Mengen Quantenenergie freigesetzt.«
    »Die Energie kam von der Erde?«, wiederholt Hockenberry. Er lässt den Blick durch die Nacht schweifen, über den Scheiterha u fen unten, das städtische Nachtleben, das sich unter ihnen entfa l tet, die fernen Lagerfeuer der Achäer und die noch ferneren Ste r ne. »Von hier?«
    »Nicht von dieser Erde«, sagt Mahnmut. »Von der anderen E r de. Deiner. Und es sieht so aus, als würden wir dorthin fli e gen.«
    Eine Minute lang klopft Hockenberrys Herz so heftig, dass er b e fürchtet, ihm könnte übel werden. Dann wird ihm klar, dass Mahnmut in Wirklichkeit nicht von seiner Erde redet – von der Welt des einundzwanzigsten Jahrhunderts mit ihren halb erinne r ten Bruchstücken seines früheren Lebens, bevor die Götter ihn aus alter DNA, Büchern und Gott weiß was noch wiedererweckt h a ben, jener langsam ins Bewusstsein zurückkehre n den Welt der Universität von Indiana, seiner Frau und seiner Studenten –, so n dern von der gleichzeitig mit dem terraformierten Mars existi e renden Erde fast viertausend Jahre nach Thomas Hockenberrys kurzem, nicht übermäßig glücklichem Leben.
    Da er einfach nicht still sitzen kann, steht er auf und ma r schiert im zerstörten elften Stock des Bauwerks auf und ab, geht zur ze r trümmerten Mauer auf der Nordostseite hinüber, dann zu den Rändern im Süden und Westen, wo sich der A b grund erstreckt. Ein von seiner Sandale losgerissener Kiese l stein fällt über dreißig Meter tief in die dunklen Straßen hinu n ter. Der Wind weht seinen Umhang und die langen, ergraue n den Haare nach hinten. Vom Verstand her weiß er seit acht Monaten, dass der Mars, der jetzt durch das Loch zu sehen ist, in einem zukünftigen Sonnensystem neben der Erde und den anderen Planeten existiert, aber er hat diese simple Tatsache niemals wirklich mit der Vorstellung ve r bunden, dass diese andere Erde tatsächlich da ist

Weitere Kostenlose Bücher