Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
schon in Ordnung. Es tut uns Leid. Du hattest wirklich keine Wahl. Die Mechanismen, die dich angestachelt haben, waren schon da, bevor der Urururgroßvater deines Großvaters zur Welt kam.«
    »Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich von de i nem Ferdinand Mark Alonzo Khan Ho Tep abstamme?« Harman konnte die Reue in seiner Stimme nicht verbergen – er wollte es auch nicht.
    Zu seiner Überraschung lachte Moira. Es war Savis Lachen – schnell und spontan –, aber ohne jenen Anflug von Bitterkeit, den Harman bei der älteren Frau gehört hatte. »Die Wahrscheinlic h keit beträgt hundert Prozent«, sagte sie.
    Harmans Schweigen war ein beredter Ausdruck seiner Verwi r rung.
    »Als die nächste Linie von Altmenschen … vorbereitet und d e kantiert wurde«, sagte Moira, »hat Ferdinand Mark Alonzo dafür gesorgt, dass alle männlichen Angehörigen dieser Linie einige seiner Chromosomen in sich tragen würden.«
    »Kein Wunder, dass wir schwach, dumm und unfähig sind«, sagte Harman. »Wir sind ein einziger Haufen inzüchtiger Cou s ins und Cousinen.« Vor nicht einmal drei Wochen hatte er ein Buch über die Grundlagen der Genetik gesiglt, aber es kam ihm so vor, als wäre es schon Jahre her. Ada hatte neben ihm geschlafen, wä h rend er zugesehen hatte, wie die goldenen Wörter von dem Buch über seine Hand, sein Handgelenk und seinen Arm geströmt w a ren.
    Moira lachte erneut. »Bist du bereit, ganz hinaufzusteigen, bis zum kristallenen Schrein?«
     
    Die durchsichtige Kuppel an der Spitze des Taj Moira war viel größer, als sie von unten ausgesehen hatte – Harman schätzte, dass sie einen Durchmesser von etwa zwanzig Meter hatte. Hier gab es keine Eisenbalkone mehr, und die Rolltreppe mit den e i sernen Stufen wie auch die Stege aus schwarzem Eisen endeten im Mittelpunkt der Kuppel. Alles leuchtete im Sonne n licht, das zu den durchsichtigen Fenstern hereinfiel, die sich um die spitze Kuppel des Taj herumzogen.
    Harman war noch nie in einer solchen Höhe gewesen – nicht einmal auf dem Turm der Golden Gate bei Machu Picchu, mehr als zweihundert Meter über der an den Tragkabeln hängenden Fahrbahn –, und er war noch nie von einer solchen Furcht übe r mannt worden, in die Tiefe zu stürzen. Diese Plattform war so hoch oben, dass er die gesamte kreisrunde Bodenfläche des Taj mit seiner ausgestreckten Hand bedecken konnte, wenn er hinu n terschaute. Das Labyrinth und der Krypta-Eingang im Erdg e schoss waren so tief unter ihm, dass sie wie die aufgestickten Mi k roschaltkreise eines Turin-Tuchs aussahen. Harman zwang sich, nicht nach unten zu blicken, als er Moira über die letzte Treppe und das Netz aus Stegen zu der schmiedee i sernen Plattform in der Kuppel selbst folgte.
    »Ist er das?«, fragte er und nickte zu einem etwa drei bis dre i einhalb Meter hohen Gebilde in der Mitte der Plattform.
    »Ja.«
    Harman hatte erwartet, dass dieser so genannte kristallene Schrein eine weitere Version von Moiras gläsernem Sarkophag sein würde, aber dieses Ding sah ganz anders aus als ein Sarg. Es war mit Glas und geodätischen Verstrebungen aus Metall in der Farbe von altem Zinn facettiert. Das Wort »Dodekaeder« kam ihm in den Sinn, aber Harman hatte es beim Sigln statt beim Lesen g e lernt und war nicht sicher, ob es der richtige Ausdruck war. Der kristallene Schrein war ein zwölfseitiges Objekt mit vielen Face t ten, annähernd kugelförmig, abgesehen von den ebenen Flächen, und er bestand aus einem runden Dutzend Platten aus transp a rentem Glas oder Kristall, die von dünnen Streben aus poliertem Metall eingefasst waren. Eine Unzahl verschiedenartig gefärbter Kabel und Röhren liefen von den Wänden der Kuppel in den schwarzen Metallsockel des Gebildes. In der Nähe des Schreins war die Plattform mit Gitterstühlen aus Metall, seltsamen Instr u menten mit dunklen Monitoren und Tastaturen sowie hauchdü n nen, senkrechten, rund anderthalb bis einen Meter achtzig hohen Platten aus durchsichtigem Kunststoff übersät.
    »Was ist das hier?«, fragte Harman.
    »Der Nexus des Taj.« Sie aktivierte mehrere der mit Bildschi r men ausgestatteten Instrumente und berührte eine senkrechte Scheibe. Der Kunststoff verschwand, und eine holografische vi r tuelle Kontrolltafel nahm seinen Platz ein. Moiras Hä n de tanzten über die virtuellen Bilder, aus den Wänden des Taj kam ein tiefes Geräusch, und eine goldene Flüssigkeit – nicht gelb, sondern flü s siges Gold, scheinbar nicht dicker als Wasser

Weitere Kostenlose Bücher