Olympos
– ergoss sich in den Sockel des kristallenen Schreins.
Harman trat näher an den Dodekaeder heran. »Er füllt sich mit Flüssigkeit.«
»Ja.«
»Das ist verrückt. Da steige ich nicht hinein. Ich würde ertri n ken.«
»Nein, wirst du nicht«, sagte Moira.
»Du erwartest von mir, dass ich in diesem Schrein bin, wenn die goldene Flüssigkeit darin drei Meter hoch steht?«
»Ja.«
Kopfschüttelnd wich Harman zurück und blieb knapp zwei M e ter vom Rand der metallenen Plattform entfernt stehen. »Nein, nein, nein. Das ist zu verrückt.«
»Wie du willst. Aber es ist die einzige Möglichkeit, wie du das Wissen dieser Bücher erwerben kannst«, sagte Moira. »Die Flü s sigkeit ist das Medium für die Übertragung der Inhalte dieser Mi l lion Bücher. Ein Wissen, das du brauchen wirst, wenn du unser Prometheus im Kampf gegen Setebos und seinesgleichen sein willst. Ein Wissen, das du brauchen wirst, wenn du dein eigenes Volk erziehen willst. Ein Wissen, das du brauchen wirst, mein Prometheus, wenn du deine geliebte Ada retten willst.«
»Ja, aber wenn das Wasser – oder was auch immer diese Flü s sigkeit ist – den Schrein füllt, ist es mindestens drei Meter tief. Ich bin kein guter Schwimmer … «, begann Harman.
Auf einmal stand Ariel neben ihnen auf der Plattform, obwohl Harman keine Schritte auf dem Metallboden gehört hatte. Die kleine Gestalt hatte ein klobiges Ding dabei, das in ein rotes Turin-Tuch gehüllt zu sein schien.
»Ariel, mein Schatz!«, rief Moira. In ihrer Stimme lagen ein En t zücken und eine freudige Erregung, wie Harman sie bei ihr noch nicht gehört hatte – noch nicht einmal damals bei Savi, als er sie gekannt hatte.
»Sei gegrüßt, Miranda«, sagte der Luftgeist, nahm das rote Tuch ab und reichte Moira ein uraltes Saiteninstrument. Harman und die Seinen hörten Musik und sangen, kannten j e doch nur wenige Instrumente und stellten keine her.
»Eine Gitarre!« Die Nachmenschenfrau nahm das seltsam g e formte Instrument von dem grünlich leuchtenden Luftgeist en t gegen und strich mit ihren langen Fingern über die Saiten. Die Töne, die erklangen, erinnerten Harman an Ariels Stimme.
Ariel verneigte sich tief und sprach in förmlichem Ton:
»Diesen Sklaven der Musik nimm hin,
Dem zu Gunst, der dir zu Füßen,
Stet s als Sklav liegt, Herrscherin.
Lehr ’ ihm all ’ die Harm o nien
Mit denen du, und du allein
M achst entzückt die Seele glühn,
Bis Entzücken wird zur Pein.
Mit Erlaubnis, auf Befehl
Deines eigenen Ferdinand
Hat der arme Ariel
Dir dies Zeichen zugesandt.«
Moira erwiderte die Verneigung, legte das klingende Instr u ment auf einen Tisch und küsste Ariel auf die grün leuchtende Stirn. »Ich danke dir, mein Freund, manchmal mein freundlicher Di e ner, aber nie mein Sklave. Wie ist es meinem Ariel e r gangen, seit ich eingeschlafen bin?« Und er fuhr fort:
»Stirbst du, ist stillen Mondes Schimmer,
Wenn er droben muss erblassen,
In seiner Zelle trauriger nimmer,
Als Ariel, der dann verlassen;
Wenn wieder du lebst auf der Erde
Geleitet dann von Ariel wird
Wie von einem unsichtbaren
Sterne auf des Lebens Meer.«
Moira strich ihm über die Wange, sah dann Harman an und wandte sich wieder dem Luftgeist-Avatar der Biosphäre zu. »Kennt ihr beiden euch schon?«
»Ja, wir haben uns bereits kennen gelernt«, sagte Harman.
»Wie steht ’ s um die Welt, Ariel, seit ich sie verlassen habe?«, fragte Moira und wandte sich wieder von Harman ab.
Ariel sagte:
» Viele Wandelungen waren,
Seit Ferdinand mit dir im Bun d
Auf der Liebe Pfad geht, und
Immer folgt dir Ariel,
Dir zu Willen und Befehl.«
In weniger förmlichem Ton, wie zum Abschluss einer offizie l len Zeremonie, sagte der Biosphären-Geist: »Und wie steht ’ s um dich, Madam, wo du uns nun wiedergeboren bist?«
Jetzt schien es an Moira zu sein, einen formellen und rhythm i schen Ton anzuschlagen, wie Harman ihn bei Savi noch nie g e hört hatte:
»Dieser Tempel, grau und einsam,
Ist, was verschont vom Tosen eines Krieges ward
Gekämpft einst von der Hierarchie der Riesen
Wider den Aufruhr; hier dies alte Bildnis,
Züge im Stein, die, a ls es fiel, sich furchten,
ist Prosperos; ich, Miranda, blieb
Höchste, einzige Priest ’ rin seiner Ödnis.«
Zu seinem Schrecken sah Harman, dass die Nachmensche n frau und das nichtmenschliche Biosphären-Wesen beide ganz offen weinten.
Ariel trat zurück, verneigte sich erneut, machte eine Handbew e gung
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