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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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schaute in die z u nehmende winterliche Dunkelheit unter den Bäumen je n seits der Ruinen der alten Palisade.
    »Bist du dir sicher?« Laman legte die linke Hand an die von vi e len Rissen durchzogene Eierschale und zog sie dann rasch wieder weg, als wäre die Oberfläche heiß. All jene, die das Ei berührt ha t ten, sprachen davon, wie unangenehm es sich anfühlte, als ob e t was an der Innenseite der Schale ihnen durch die Handfläche Energie aussaugte.
    Bevor Daeman auch darauf antworten konnte, sagte Ada: »D a eman, wenn du dieses Ding nicht mitgebracht hättest, w ä ren die meisten von uns jetzt wahrscheinlich schon tot. Das W e sen hat die Voynixe bis jetzt fern gehalten. Vielleicht tut es das auch, nac h dem es geschlüpft ist.«
    »Wenn es – oder seine Mama oder sein Papa – uns nicht im Schlaf auffrisst«, erwiderte Laman, der seine verstümmelte rechte Hand umklammerte.
    Später, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, kam Siris und b e richtete Ada im Flüsterton, dass Sherman, einer ihrer Schwerve r letzten, gestorben war. Ada nickte, holte zwei andere herbei – Edide und einen noch immer beleibten Mann namens Rallum –, und sie trugen den Leichnam schweigend zu einer Stelle in der Nähe der eingestürzten Baracken, die vom Feuerschein nicht mehr erreicht wurde, und bedeckten ihn mit Holz und Steinen, sodass sie Sherman am nächsten Morgen ordnungsgemäß begr a ben konnten. Der Wind war kalt.
    Ada übernahm in der Dunkelheit eine vierstündige Wac h schicht. Sie hatte ein geladenes Flechette-Gewehr, das wärme n de Feuer war ein ferner Lichtschein, und der nächste Posten war fünfzig Meter entfernt; die Gehirnerschütterung verursac h te ihr so heftige Kopfschmerzen, dass sie weder einen Voynix noch Setebos persönlich gesehen hätte, selbst wenn er ihr direkt auf dem Schoß gesessen hätte. Wegen ihres gebrochenen Handgelenks musste sie die Waffe auf den Unterarm stützen. Als Caul sie schließlich a b löste, taumelte sie zu dem rappelvollen, von Schnarchlauten e r füllten Schuppen zurück und fiel in einen tiefen Schlaf voller schrecklicher Albträume.
    Daeman weckte sie kurz vor Tagesanbruch. Er beugte sich zu ihr herab und flüsterte ihr ins Ohr: »Das Wesen in dem Ei ist g e schlüpft.«
    Ada setzte sich im Dunkeln auf, spürte die dicht an dicht li e genden, atmenden Körper um sich herum und war einen M o ment lang davon überzeugt, dass sie noch im Albtraum befa n gen war. Sie wollte, dass Harman sie an der Schulter berührte und sie weckte, während die Sonne ins Zimmer schien. Sie wünschte sich seine Umarmung, nicht diese eisige Dunkelheit, den Druck fre m der Körper und den flackernden, verlöschenden Feuerschein durch Segeltuch.
    »Es ist geschlüpft«, wiederholte Daeman. Seine Stimme war sehr leise. »Ich wollte dich nicht wecken, aber wir müssen en t scheiden, was wir tun sollen.«
    »Ja«, flüsterte Ada zurück. Sie hatte in ihren Kleidern geschl a fen, und jetzt kroch sie aus ihrem Nest aus feuchten Decken, stieg vo r sichtig über schlafende Gestalten hinweg und folgte Daeman durchs Segeltuch hinaus, vorbei an dem niedrigen, aber noch i m mer unterhaltenen Feuer, nach Süden, weg vom Schuppen zu e i nem anderen, viel kleineren Feuer.
    »Ich habe hier draußen geschlafen, abseits von den anderen.« Daeman sprach in normalerem Ton, als sie sich weiter vom Schuppen entfernten. Seine Stimme war immer noch leise, aber jede Silbe dröhnte in Adas schmerzendem Schädel. Hoch über ihnen kreisten der Ä-Ring und der P-Ring, wie sie es immer taten, sie drehten sich und kreuzten sich vor den Sternen und einem fi n gernagelgroßen Mond. Ada sah dort oben eine Bew e gung, und eine Minute lang klopfte ihr Herz; dann erkannte sie, dass es das Sonie war, das in der Nacht lautlos seine Kreise zog.
    »Wer fliegt das Sonie?«, fragte sie teilnahmslos.
    »Oko.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie das kann.«
    »Greogi hat es ihr gestern beigebracht.« Sie näherten sich dem kleineren Lagerfeuer, und Ada sah die Silhouette eines anderen Mannes, der dort stand.
    »Guten Morgen, Ada Uhr«, sagte Tom.
    Ada musste über den formellen Titel lächeln. In den letzten M o naten war er nicht mehr sehr häufig gebraucht worden. »Guten Morgen, Tom«, flüsterte sie. »Wo ist dieses Ding?«
    Daeman zog einen langen Holzscheit aus dem Feuer und strec k te ihn wie eine Fackel in die Dunkelheit.
    Ada trat zurück.
    Daeman und Tom hatten offensichtlich Palisadenstämme auf drei Seiten aufgestapelt, um das …

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