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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dem Sicherheitskraftfeld entkam.«
    »Aber die Franzosen und die Neue Europäische Union gaben die Entwürfe ans Kalifat weiter«, sagte Harman. »Warum?«
    Prospero hob seine alte, von Adern gesprenkelte Hand, fast so, als wollte er einen Segen erteilen. »Die palästinensischen Wisse n schaftler waren ihre Freunde.«
    »Ich frage mich, ob jener Antiquar vom Anfang des zwanzig s ten Jahrhunderts, Wilfrid Voynich, sich hätte träumen lassen, dass eine Gattung sich selbst reproduzierender Monster nach ihm b e nannt werden würde«, sagte Harman.
    »Nur wenige von uns können sich erträumen, was unser wa h res Vermächtnis sein wird«, sagte Prospero, die Hände noch immer wie zur Segnung erhoben.
    Moira seufzte. »Seid ihr beiden nun fertig mit eurer kleinen Re i se in die Vergangenheit?«
    Harman sah sie an.
    »Und du, mein Möchtegern-Prometheus … dir hängt da unten was raus. Wenn dein Einauge mit mir ein Wettstarren veransta l ten will, hast du gewonnen. Ich habe zuerst gezwinkert.«
    Harman schaute nach unten. Sein Morgenmantel hatte sich wä h rend des Gesprächs geöffnet. Er band ihn rasch zu.
    »In der nächsten Stunde überqueren wir die Pyrenäen«, sagte Moira. »Jetzt, wo Harman auch noch etwas anderes im Kopf hat als ein Freudenthermometer, gibt es einiges zu besprechen … und zu entscheiden. Ich schlage vor, Prometheus geht hinauf, duscht und zieht sich an. Großvater hier kann ein Nickerchen machen. Ich räume das Frühstücksgeschirr weg.«
     

65
    Achilles zieht die Möglichkeit in Betracht, dass er einen Fehler begangen hat, als er Zeus dazu brachte, ihn in die tiefste, dunkel s te Grube der Höllenwelt des Tartaros zu verbannen, o b wohl es ihm zu dem Zeitpunkt eine gute Idee erschienen war.
    Erstens kann Achilles die Luft hier nicht richtig atmen. Wä h rend die Quantensingularität seines Schicksals, von Paris ’ Hand zu sterben, ihn theoretisch vor dem Tode bewahrt, schützt sie ihn nicht davor, mit rasselndem, pfeifendem Atem auf dem lavahe i ßen schwarzen Stein zusammenzubrechen, während die metha n geschwängerte Luft seine Lungen verschmutzt und ve r ätzt. Es ist, als würde er versuchen, Säure zu atmen.
    Zweitens ist dieser Tartaros ein grässlicher Ort. Der schreckl i che Luftdruck – er entspricht dem in einer Wassertiefe von siebzig Metern auf der Erde – lastet schwer auf jedem Quadra t zentimeter von Achilles ’ schmerzendem Leib. Die Hitze ist furchtbar. Sie hä t te jeden reinen Sterblichen längst getötet, selbst solche Helden wie Diomedes oder Odysseus, aber auch der Halbgott Achilles leidet unter ihr; seine Haut ist rot und weiß gefleckt, und wo sie fre i liegt, bilden sich überall Blasen und Geschwüre.
    Schließlich ist er blind und so gut wie taub. Der diffuse rötl i che Lichtschein ist nicht hell genug, als dass er etwas sehen könnte. Der Druck ist so gewaltig, die Atmosphäre und die Wolkendecke sind so dick, dass nicht einmal das schwache Licht der allgege n wärtigen, vulkanischen roten Glut gegen die wabernde Atm o sphäre, Dämpfe aus aktiven vulkanischen Schloten und den for t während wie ein Vorhang fallenden sa u ren Regen ankommt. Die dicke, überhitzte Atmosphäre drückt auf die Trommelfelle des fußschnellen Männertöters, bis ihm die Geräusche, die er ausm a chen kann, wie mächtige, gedämpfte Trommelschläge und schw e re Schritte erscheinen – dumpf dröhnende Laute, die zum schmerzhaften Pochen seines vom Druck zusammengequetschten Schädels passen.
    Achilles langt unter seine Lederrüstung und berührt die kle i ne mechanische Bake, die Hephaistos ihm gegeben hat. Er fühlt, wie sie pulsiert. Wenigstens ist sie nicht unter dem schrecklichen Druck implodiert, der auf Achilles ’ Trommelfellen und Augen lastet.
    Manchmal erahnt Achilles in dem schrecklichen Halbdunkel Bewegungen großer Gestalten, aber selbst wenn das vulkan i sche Glühen am rotesten ist, kann er nicht erkennen, wer oder was da in seiner Nähe vorbeikommt. Er spürt, dass die Gesta l ten viel zu groß für Menschen sind und auch zu seltsame Formen haben. Was auch immer sie sein mögen, die Wesen haben ihn bisher i g noriert.
    Der fußschnelle Achilles, Sohn des Peleus, Führer der Myrmid o nen und edelster Held des trojanischen Krieges, Halbgott in se i nem schrecklichen Zorn, liegt lang ausgestreckt, mit g e spreizten Armen und Beinen, auf einem pulsierend-heißen vu l kanischen Steinbrocken, geblendet und taub, und braucht all seine Kraft, um einfach nur zu

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