Olympos
verlaufen.«
Für eine Sekunde verspürte Hockenberry fast so etwas wie e i nen Anflug von Übelkeit, als er hörte, wie ihn jemand mit »Doktor« anredete. Es war lange her, dass … nein, es war noch nie in seinem zweiten Leben passiert. Nur sein Scholikerfreund Nightenhelser hatte seinen Titel im vergangenen Jahrzehnt ein- oder zweimal scherzhaft benutzt.
»Danke, ja … ich meine … tut mir Leid, ich habe eure Namen nicht alle verstanden«, sagte Hockenberry. »Ich muss mich en t schuldigen. Ich war … abgelenkt.« Weil ich dachte, ich würde ste r ben, als der Sessel mich im Stich ließ, dachte Hockenberry.
Der kleine Moravec nickte. »Das bezweifle ich nicht«, sagte er. »In dieser Kuppel herrscht Hochbetrieb, und die Atmosphäre überträgt gewiss den Lärm.«
Das tat sie. Und Hochbetrieb war das richtige Wort. In der ries i gen blauen Kuppel, die mindestens zwei oder drei Acres b e deckte – Hockenberry war schon immer schlecht im Schätzen von Gr ö ßen und Entfernungen gewesen, was seiner Ansicht nach daran lag, dass er nie Sport getrieben hatte –, wimmelte es von montag e turmähnlichen Gebilden, Maschinenbänken, die größer waren als die meisten Gebäude in seinem alten Revier in Bloomington, Ind i ana, pulsierenden organischen Klecksen, die wie zerlaufener Pudding von Tennisplatzgröße aussahen, Hunderten von M o ravecs – alle mit der einen oder anderen Aufgabe beschäftigt – sowie schwebenden Kugeln, die Licht abgaben und schneidende, schweißende, schmelzende und dann weiterziehende Laserstra h len ausspien. Das Einzige in dem riesigen Raum, was ihm auch nur halbwegs vertraut, wenn auch völlig deplatziert vorkam, war ein runder Rose n holztisch in etwa zehn Meter Entfernung. Sechs unterschiedlich hohe Hocker standen um ihn herum.
»Mein Name ist Asteague/Che«, sagte der kleine Moravec. »Ich bin Europäer, wie ihr Freund Mahnmut.«
»Europäer?«, wiederholte Hockenberry begriffsstutzig. Er war in den Ferien einmal in Frankreich gewesen, und in Athen hatte er einmal an einer altphilologischen Tagung teilgenommen, aber obwohl die Männer und Frauen da wie dort … anders g e wesen waren, hatten sie allesamt nicht die geringste Ähnlichkeit mit di e sem Asteague/Che gehabt: größer als Mahnmut, mindestens einen Meter zwanzig, und humanoider – insbeso n dere um die Hände herum –, aber trotzdem mit demselben m e tallischen Kunststoff-Material überzogen wie Mahnmut, wenn gleich es bei Aste a gue/ Che größtenteils in einem leuchtenden, schicken Gelb gefärbt war. Der Moravec erinnerte Hockenberry an einen schicken R e genmantel mit gelber Gummibeschic h tung, den er als Kind sehr geliebt hatte.
»Europa«, sagte Asteague/Che ohne jede Andeutung von Ung e duld. »Der von Eis und Wasser bedeckte Jupitermond. Mahnmuts Heimat. Und meine.«
»Natürlich.« Hockenberry errötete, merkte es und errötete d a rum erneut. »Verzeihung. Natürlich. Ich wusste, dass Mahnmut von irgendeinem Mond da draußen kam. Tut mir Leid.«
»Mein Titel … obwohl › Titel ‹ ein zu förmliches und protziges Wort ist, vielleicht wäre › Arbeitsfunktion ‹ eine angemessenere Übersetzung«, fuhr Asteague/Che fort, »lautet Hauptintegrator des Fünf-Monde-Konsortiums.«
Hockenberry verbeugte sich leicht. Ihm wurde klar, dass er e i nem Politiker gegenüberstand. Oder zumindest einem Spitzenb ü rokraten. Er hatte keine Ahnung, wie die anderen vier Monde heißen mochten. In seinem anderen Leben hatte er von Europa gehört, und er glaubte sich zu erinnern, dass sie d a mals, Ende des zwanzigsten und Anfang des einundzwanzig s ten Jahrhunderts, alle paar Wochen einen neuen Jupitermond gefunden hatten – so war es ihm jedenfalls vorgekommen –, aber die Namen fielen ihm momentan nicht ein. Vielleicht w a ren sie zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht benannt wo r den, er konnte sich nicht erinnern. Außerdem hatte Hockenberry immer das Griechische dem Late i nischen vorgezogen, und er fand, dass der größte Planet des So n nensystems Zeus und nicht Jupiter heißen sollte … obwohl das unter den gegenwärtigen Umständen verwirrend sein mochte.
»Erlauben Sie mir, meine Kollegen noch einmal vorzustellen«, sagte Asteague/Che.
Die Stimme des Moravecs hatte Hockenberry an jemanden eri n nert, und jetzt kam ihm zu Bewusstsein, an wen: den Filmscha u spieler James Mason.
»Der große Gentleman zu meiner Rechten ist General Beh bin Adee, Oberbefehlshaber des Kampfmoravec-Kontingents aus dem
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