Omega Kommando
Befähigung, einen Rivalen hinter sich zu lassen, bevor dieser einen überhaupt als Bedrohung erachtet, ist ein großes Geschenk, besonders in der Geschäftswelt. Dolorman war überaus zufrieden, auf diesen Vorteil bauen zu können, und sah keinen Grund, die Dinge so spät in seinem Leben und seiner Laufbahn noch zu ändern.
Ein ähnliches Vergnügen zog er aus dem Umstand, daß er den Krayman Tower in Houston betreten und seinen Privatfahrstuhl erreichen konnte, ohne auch nur einen Blick seiner Angestellten auf sich zu ziehen. Nur die, die sahen, wie er in seiner Limousine eintraf – der einzige Luxus, den er sich erlaubte –, starrten vielleicht kurz zu ihm hinüber oder stammelten eine Begrüßung. Dolorman lächelte dann, blieb aber nie stehen, um einen Gruß zu entgegnen oder – Gott bewahre! – ein Gespräch zu führen. Je weniger die Leute von ihm wußten, desto besser.
An diesem Donnerstagmorgen hielt die Limousine vor dem Haupteingang des Krayman Tower an, und Dolorman stieg behutsam aus. Er hatte sich an Bord eines Zerstörers befunden, der im Zweiten Weltkrieg von einem japanischen Kamikaze versenkt worden war, und sein Rücken war schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Der Schmerz ließ nur selten nach, und wie alles im Leben war er einfach etwas, an das man sich gewöhnte.
Da Dolorman seine Gefühle so geschickt verbergen konnte wie seine Schmerzen, zeigte sich auf seinen Zügen nicht die geringste Spur der Anspannung, die er an diesem Morgen empfand. Seine Haut war wie üblich verdächtig bleich und sein weißes Haar so kurz geschoren, daß es wie eine feste Platte wirkte. Er schritt direkt und allein zu seinem Privatfahrstuhl und fuhr damit zu seinem Büro im fünfunddreißigsten und obersten Stockwerk hinauf. Im Geiste zählte er die verschiedenen Abteilungen der Krayman-Holdings auf, als er mit einem Aufblitzen der verschiedenen Stockwerknummern an ihnen vorbeifuhr.
Seine Sekretärin musterte ihn unterwürfig, als er aus dem Fahrstuhl trat. Durch den Schmerz in seinem Rücken wirkten seine Schritte eher wie ein Gleiten denn ein Gehen.
»Mr. Wells und Mr. Verasco warten wie befohlen in Ihrem Büro, Sir.«
»Danke.« Dolorman öffnete die Tür und schloß sie hinter sich wieder. Wells und Verasco erhoben sich respektvoll. Die beiden bildeten einen ausgesprochenen Kontrast. Verasco war ein kleiner, eckiger Mann mit olivengrauer Gesichtsfarbe, in dessen Mundwinkel stets und überall – nur nicht in Dolormans Zimmer – eine Zigarre qualmte; er wußte, daß Dolorman überhaupt keinen Tabakrauch vertrug. Er übte in den Krayman Industries zahlreiche Aufgaben aus, doch keine war so wichtig wie die Koordination von Omega; er hatte dieses Projekt fast seit dessen Anfang geführt. Verascos Erscheinung täuschte nicht minder als die Dolormans. Auf den ersten Blick wirkte er träge, sogar etwas stumpfsinnig. Doch sein Verstand war schnell und lebhaft.
Wells war ein völlig anderer Typ. Er war Leiter des Bereichs Sonderaufgaben des Unternehmens, ein Titel, den man an keiner Tür angeschlagen finden konnte; nichtsdestotrotz war Wells dafür verantwortlich, verborgene Aktivitäten konkurrierender Gesellschaften bei den Krayman Industries zu verhindern und die gleichen Aktivitäten gegen konkurrierende Gesellschaften zu dirigieren. Er arbeitete für das Konsortium als Sicherheitsmann an vorderster Front, und Dolorman hatte den Eindruck, daß dieser Job in keinen besseren Händen liegen konnte. Wells war über einsneunzig groß und trug weiterhin einen Bürstenhaarschnitt, obwohl er überaus plötzlich seinen Abschied aus der Army hatte nehmen müssen. Sein schwerer Knochenbau entsprach der massigen Gestalt, und sein Hals war so dicht mit knotigen Muskeln bepackt, daß er lediglich wie eine Ausdehnung des Kopfes wirkte.
Der Blick, mit dem Dolorman an diesem Morgen Wells bedachte, war typisch kurz; verweilende Blicke waren nur für Leute mit belastbarem Magen gedacht. Wells' linkes Auge war von Narbengewebe bedeckt, das den größten Teil dieser Gesichtshälfte beanspruchte. Eine Augenklappe hätte das Ausmaß der Verletzung verdeckt, doch Wells lehnte sie zugunsten einer Erscheinung ab, die seine Gegner und manchmal auch seine eigenen Leute einschüchterte. Die Verunstaltung erstreckte sich von einer haarlosen Stelle auf der linken Schädeloberfläche bis zur Lippe, so daß diese Gesichtshälfte ständig den Eindruck erweckte, zu einem düsteren Grinsen verzogen zu sein. Wells störte lediglich
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