Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
Vom Netzwerk:
Republik – dieselben Werte, die den Aufschwung im Italien und im Europa der Nachkriegszeit untermauern. Italien jedoch ist die einzige westeuropäische Nation, in der die Macht der Mafia völlig im Einklang ist mit der Alltagsrealität von Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Die Geschichte, durch die es so weit kommen konnte, begann, als Italien den beschwerlichen Übergang vom Krieg in Richtung Frieden vollzog.
    Im Februar 1944 überließ die AMGOT -Verwaltung Sizilien und einen Großteil Süditaliens einer antifaschistischen Koalition, welche die neue italienische Zivilregierung bildete. Demnach waren es die Menschen aus dem Süden, aus den traditionellen Kernländern des organisierten Verbrechens, die als erste Italiener die Möglichkeit zurückerlangten, die Zukunft des Landes zu gestalten. Der Weg in diese Zukunft war von vier Meilensteinen gekennzeichnet:
    April 1945 : Wenige Tage vor Hitlers Selbstmord war in Italien der Krieg zu Ende.
    Juni 1946 : Die Monarchie wurde abgeschafft, die Republik ins Leben gerufen.
    März 1947 : Präsident Harry S. Truman verkündete, dass die Vereinigten Staaten fest entschlossen seien, die sowjetische Expansion über den Erdball einzudämmen. In Italien genoss der
Partito Communista Italiano
dank seiner Rolle im Widerstand ein hohes Ansehen und versprach jeder Pfarrei einen kommunistischen Ortsverband. Die Halbinsel fand sich jäh an vorderster Front des Kalten Kriegs.
    April 1948 : Italiens erste demokratische Parlamentswahl wurde mit einem deutlichen Sieg der von Amerika unterstützten Christdemokraten (
Democrazia Cristiana
, DC ) und einer deutlichen Niederlage der Kommunisten entschieden.
    Nirgendwo in Italien ging es nach dem Krieg turbulenter zu als auf Sizilien. Und nirgendwo war das organisierte Verbrechen so stark in die Turbulenzen verwickelt. Im südlichen Kalabrien und Kampanien schufen sich ’Ndranghetisti und Camorristi, wie wir noch sehen werden, ihre eigenen Nischen im Nachkriegsgefüge. Doch die Mafia auf Sizilien verfolgte höhere Ziele. Viele Sizilianer sind skeptisch, sobald der Mafia das Etikett »organisiertes Verbrechen« aufgedrückt wird. Mafiosi sind jedoch allesamt Kriminelle, das war schon immer so. Allerdings verfügen gewöhnliche Kriminelle, auch wenn sie noch so gut organisiert sind, nicht annähernd über die politischen Kontakte, derer sich führende Mafiosi erfreuen. Herkömmliche Ganoven wären heillos überfordert, wollten sie das institutionelle Schicksal ihrer Heimat in der Art und Weise mitgestalten, wie die sizilianischen Mafiosi es nach 1943 anvisiert hatten.
    Das augenfälligste und gewalttätigste Verbrechen, an dem die Mafia beteiligt war, war das Banditentum. 1945 durchstreiften Hunderte von Banden das sizilianische Hinterland, viele von ihnen ausreichend mit Waffen bestückt, um Polizei und Carabinieri bei einem Schusswechsel standzuhalten. Raub, Erpressung, Entführung und der Schwarzhandel verschafften diesen Gesetzlosen ein üppiges Einkommen. Traditionellerweise schlossen Mafiosi sich nicht selbst den Banditen an, sondern bedienten sich ihrer im Austausch gegen Gefälligkeiten. Die Banditen traten zum Beispiel einen gewissen Prozentsatz ihrer Einnahmen an die Mafiosi ab und erhielten im Gegenzug Hinweise auf lohnende Entführungs- oder Einbruchsziele, wurden vor Polizeirazzien gewarnt oder mit Mittelsmännern ausgestattet, die mit der nötigen Diskretion Lösegeldzahlungen aushandelten.
    Bald nach der Landung der Alliierten gingen Mafiosi daran, wieder ihren bewährten Würgegriff anzusetzen, indem sie sich um den »Schutz«, die Verpachtung und Verwaltung landwirtschaftlicher Güter im westlichen Sizilien kümmerten. Viele reiche Landeigentümer auf Sizilien lebten in dekadentem Pomp in Palermo, während sie die Verwaltung ihrer riesigen Ländereien brutalen Mittelsmännern der Mafia anheimstellten. Nach dem Krieg ließen sie ihre Güter von Männern verwalten, die zu den berüchtigtsten Bossen der 1950 er und 1960 er Jahre zählen sollten: Giuseppe Genco Russo aus Mussomeli und der 20 -jährige Killer Luciano Liggio aus dem ländlichen Corleone in der Provinz Palermo. (Gegen Liggio bestand bereits ein Haftbefehl, als er 1945 , nach dem mysteriösen Tod seines Vorgängers, zum Verwalter der Strasatto-Ländereien bestimmt wurde.)
    Ihre Funktion auf dem Land zog die Mafia unweigerlich in die Politik. Bei allen politischen Unruhen in der jüngsten Geschichte Siziliens hatten die Bauern gerechtere Verträge verlangt oder gar

Weitere Kostenlose Bücher