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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Aschenwald
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Kinder zur Welt, die verkümmern und verwahrlosen, weil sich niemand um sie kümmert, niemand Zeit für sie hat, aber das jetzt? Warum ist das passiert? Das ist die reine Willkür der Natur, das hat überhaupt keinen guten oder übergeordneten Grund, das ist ungerecht! Die reine Bosheit!«
    Sie war aufgesprungen. Ihre Kaffeetasse fiel um, weil sie mit der flachen Hand auf den Tisch geschlagen hatte, ihre Augen waren müde und wild.
    »Es ist ungerecht! Gemein! Böse!«, schrie sie noch mal. »Und ich verstehe es nicht. Ich habe nichts verbrochen, niemandem etwas getan! Ich habe mich scheiden lassen, weil ich meine Ehe nicht mehr ausgehalten habe, habe während der ganzen Zeit dieser Ehe nicht aufgepasst, und es wollten aber nie Kinder kommen, grundlos, einfach so nicht! Deshalb habe ich auch nichts gemacht, ich habe mir nichts gedacht, als ich bei dir … ich habe mich damit abgefunden! Weißt du was? Ich glaube an nichts. Ich kann mich an nichts halten, weil … es hält nichts. Wer an etwas glaubt, kann das, was passiert ist, irgendwie zuordnen, es irgendwie verstehen als den Willen einer höheren Macht, aber ich … ich bin Rechtsanwältin«, sagte sie hilflos.
    Sie stockte. Einen Moment lang war alles still.
    »Beruhige dich«, sagte er liebevoll. »Möchtest du einen Tee?«
    »Nein«, sagte sie plötzlich wieder ruhig, »ich will ein Kind.«

Kapitel V Ohne Boden
    Omka lag mit dem Kopf an Josefs Brust, es war Nacht. Als sie ihm beim Frühstück gesagt hatte, dass sie ein Kind wollte, hatte er darüber nachgedacht, was das mit ihm zu tun haben könnte und ob es überhaupt etwas mit ihm zu tun hatte. Sein Kopf war wirr, und es kam ihm der Gedanke, ob das, was er sich dachte, mit der Wirklichkeit überhaupt etwas zu tun hätte. Schließlich wurde immerzu geredet und gedacht, und was schlussendlich passierte, war etwas ganz anderes gewesen, als man sich vorgestellt hatte. Und jetzt, seit sie es gesagt hatte, dass sie ein Kind mit ihm haben wollte, jetzt, wo er mit voller Absicht eines zeugen sollte, konnte er nicht aufhören zu denken und wollte es auch irgendwie nicht mehr. Als es einfach passiert war, konnte er darüber gar nicht nachdenken, und alles kam ihm gut vor, so wie es war. Aber so, wie es jetzt war, fühlte er ein Unbehagen, das er nicht loswurde.
    »Weißt du, ich hatte gestern einen Alptraum«, sagte Omka plötzlich »ich war im Kreißsaal und brachte ein Kind zur Welt, aber ich war alleine, ich meine, du warst nicht da. Es standen aber sonst viele Leute um mich herum, die Krankenschwestern, die Hebamme, ein Arzt … und … dann kommt es zur Welt, und sie legen es mir auf die Brust, und als ich es ansehe, traue ich meinen Augen nicht; es siehst aus, als wäre es am ganzen Körper verbrannt, an manchen Stellen mehr und an anderen weniger, die Haut hängt in Fetzen vom Körper, es hat spitze Zähne und Augen, wie sie die Außerirdischen im Film immer haben, und ich glaube nicht einmal, dass es überhaupt lebt. Ich ekle mich und habe Angst vor ihm, als der Arzt sagt: ›So, das hätten wir. Gratuliere.‹ Und alle applaudieren und streicheln mir den Kopf und die Arme und freuen sich, und niemand sagt: ›Um Gottes willen, was ist denn das?‹, sondern alle tun so, als wäre das normal und könnte gar nicht anders sein. Da schaue ich das Kind noch mal an, weil ich mir denke, ich hätte mich vielleicht getäuscht, aber es sieht noch genauso aus wie vorher und hängt leblos in meinen Armen, und ich denke mir schon, ich bin sicher, dass es nicht mehr am Leben ist, als es die Augen aufmacht und mich anschaut. Die Hebamme fragt mich, ob ich es nicht füttern will, und ich ekle mich und habe Angst, aber ich denke mir andererseits, es ist doch mein Kind, ich kann es doch nicht verhungern lassen, und hebe das Nachthemd auf und will ihm die Brust geben, als es auf einmal die Zähne entblößt und aussieht, als würde es lächeln, und mich in die Brust beißt, dass ich blute, und seine kleinen, kräftigen Arme in meinen Brustkorb stemmt und mit den Beinchen nachschiebt und versucht, zu meinem Hals heraufzukrabbeln, als ich es am Genick nehme, von mir losreiße, zum Fenster gehe und es hinauswerfe. Es fällt tief, weil wir in einem sehr hohen Stockwerk sind, und als es am Boden aufschlägt, bleibt es regungslos liegen. Ich bin froh, weil ich den Eindruck habe, ich hätte eben mein Leben gerettet, und andererseits schockiert, weil ich gerade mein eigenes Kind umgebracht habe. Ich schäme mich noch dafür, mich

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